Goldinvestoren interessiert es herzlich wenig, ob sich die Wirtschaft in den Industrieländern wieder erholt. Die Staatsschuldenkrise, suspekte Papiergeldwährungen und ein strukturell völlig veränderter Edelmetallmarkt heizen die Preisentwicklungen bei Gold und Silber an

Julian D. W. Phillips, GoldForecaster.com, 26.12.2010

Wir haben bereits zahlreiche Kommentatoren gehört, die nahelegten, dass eine Wirtschaftserholung in den USA, die zur der Art von Wachstum führt, wie wir es vor 2008 sahen, die Investoren dazu animieren würde Gold abzustoßen.

Jetzt, wo sich das alte Jahr dem Ende neigt und ein neues bevorsteht, scheint es ratsam, sich diesen Sachverhalt noch einmal genauer anzuschauen. Natürlich würde sich ein jeder von uns inständig wünschen, dass wir eine wirkliche Wirtschaftserholung erleben, bei der die Eigenheimpreise wieder auf die Niveaus von vor 2008 steigen, wir starke Arbeitsmarktzahlen haben, und die Konsumenten eine Menge frei verfügbaren Einkommens besitzen, um das Leben wieder stressfrei zu gestalten.

In einem derartigen Wirtschaftsklima wäre es einsichtig, wenn diese Wünsche mit einem Rückgang des Goldpreises einhergingen, den viele ja als Messskala ansehen, an der man die Leiden der entwickelten Ökonomien des Westens ablesen kann. Aber ist das nun der wirkliche Grund, warum sich Gold auf dem gegenwärtigen Preisniveau befindet?

Der Goldpreis stieg, während die Wirtschaft in den Entwicklungsländern wuchs

Schauen wir auf das Jahr zurück, als der Goldpreis zu steigen anfing. Das war im Jahre 2000. Wie war das wirtschaftliche Klima in den Industrieländern zu jener Zeit?

Als Paul Volcker die Zinssätze zu Beginn der 80er Jahre anhob, wuchs auch das Vertrauen in den Dollar, und das weltweite Wirtschaftswachstum entwickelte eine Eigendynamik.

Ende des vergangenen Jahrhunderts sah es bei den Industrieländern gut aus. Der Euro feierte sein Debüt auf der Weltbühne und die Eurozone wurde fortwährend größer. Bis 2008 verbesserte sich die Situation sogar noch mehr. Der überwiegende Teil der Konzernführer dieser Welt hatte ausschließlich gute Tage mitgemacht. Es schien keinen bedeutsamen Grund zu geben, warum für die Zukunft nicht dasselbe angenommen werden sollte.

Während des Zeitraums von 1999 bis 2008 stieg der Goldpreis fast um das Fünffache. Können wir hier eine Verbindung des Goldpreises zu dem wirtschaftlichen Zustand der Industrieländer herstellen? Nein, natürlich nicht!

Vielmehr wäre es eigentlich nicht ganz richtig zu sagen, dass der Goldpreis stieg, da Gold mit USD 275 pro Feinunze extrem unterbewertet war.

Warum lag der Goldpreis bei USD 275 pro Feinunze und stieg seit der Jahrtausendwende?

Der Goldpreis von USD 275 pro Feinunze war das Ergebnis einer langfristigen Zentralbank-Kampagne, um Gold zugunsten des Euros und des US-Dollars zu „diskreditieren“. Großbritannien verkaufte 1999 die Hälfte seiner gesamten Goldbestände zu diesem Preis. Die Tatsache, dass die europäischen Zentralbanken sich dafür entschieden, ihre Goldverkäufe künftig auf Mengen zu beschränken, die der Goldmarkt auch verkraften würde, ohne den Goldpreis dabei nach unten zu drücken, war ebenfalls ein entscheidender Faktor.

Die Einführung börsennotierter Goldfonds sorgte dafür, dass sich die angestaute Nachfrage institutioneller Anleger entladen konnte, und brachte Gold wieder in die Sphären der Investmentwelt.

Die Erkenntnis der Goldminenfirmen, dass die Profite aus ihren Spekulationsgeschäften, die sie in einem Goldmarkt mit fallenden Preisen machten, nun ebenfalls der Vergangenheit angehören würden, sorgte dafür, dass sie ihre Strategien neu überdachten. Die einst profitablen Hebelgeschäfte, die so viele dieser Goldminenfirmen betrieben, hätten ihre Gewinne bei steigenden Goldpreisen eingeschränkt.

Also mussten diese spekulativen Positionen aufgelöst werden, um die Profite zu steigern. Die Anteilseigner der Minenbetreiber verlangten es so. So wurden jährlich Hedge-Positionen im Wert von rund 400 Tonnen Gold zurückgekauft.

Die Kombination der oben genannten Faktoren sorgte für einen Anstieg des Goldpreises auf ein Niveau, das normalerweise bereits 1985 hätte erreicht werden müssen.

Und dann kam die Kreditkrise

Als sich das Wirtschaftswachstum im Osten dem Wachstum im Westen anpasste, verdoppelte sich auch der Preis für Rohöl. Das war zum Höhepunkt des weltweiten Wirtschaftswachstums. Es war zu einer Zeit, als Befürchtungen darüber aufkamen, ob die weltweiten Ressourcen für das globale Wachstum überhaupt ausreichen würden. Die wirtschaftliche Macht der Vereinigten Staaten erreichte damals ebenfalls ihren Zenit.

Dem folgten dann die überraschend hereinbrechende Kreditkrise sowie das Platzen der Immobilienblase. Alle Märkte brachen ein – auch die Gold- und Silbermärkte, letztere jedoch aus anderen Gründen.

Warum fielen diese Märkte, wo die Hoffnungen in die Zukunft doch so stark waren?

Wir würden dies eher als einen Zusammenbruch auf der Investorenseite bezeichnen. Sah man sich die Investments genauer an, schien es allen Grund zur Annahme zu geben, dass die Firmen auch künftig weiter eine gute Performance abliefern würden – aber die Fähigkeit der Investoren, tatsächliche Investitionen zu tätigen, war aufgrund der Krise schwer angeschlagen.

Zu viele Investoren hatten spekulative und fremdkapitalfinanzierte Positionen, so dass, als die Häuserpreise und später die Aktienmärkte und andere Märkte fielen, es notwendig wurde, Bestände zu liquidieren und irgendwie an Geld heranzukommen, um den Nachschussaufforderungen nachzukommen.

Also fielen auch Märkte wie der Gold- und Silbermarkt, die in diesem wirtschaftlichen Klima eigentlich hätten steigen müssen, da die Leistungsfähigkeit der Investoren zurückging.

Die Geschichte zeigt, dass Gold und Silber bei derartigen Preiseinbrüchen als „sichere Häfen“ fungieren, zwischen Mitte 2008 und dem überwiegenden Teil des Jahres 2009 war dies jedoch nicht der Fall.

Die Leistungsfähigkeit der US-amerikanischen Investoren liegt aktuell immer noch unter dem einstigen Niveau. Es kam zu einer generellen Stabilisierung der Märkte, wobei diese jedoch nicht weiterwachsen – und das alles in einem Investmentklima, das durch ein weiterhin fallendes Vertrauen ins Geldsystem, wachsende Ängste vor Instabilität und durch Unsicherheiten geprägt ist.

Der Gold- und Silbermarkt stabilisierten sich ebenfalls. Dank der Strategie der US-Notenbank, Maßnahmen der quantitativen Lockerung einzuleiten, sind die Industriestaaten zwar nicht in die Deflationsspirale abgerutscht, aber man kann auch nicht davon ausgehen, dass jetzt eine echte wirtschaftliche Erholung bevorsteht.

Die Geschäfte gehen nun in diesem von Ängsten geprägten finanziellen Klima wie gewohnt weiter, wobei wenig Hoffnung darauf besteht, dass die guten Tage vor dem Ausbruch der Kreditkrise wiederkommen werden.

Während die Kreditkrise über den Atlantik schwappte und sich in eine Staatsschuldenkrise verwandelte, haben sich auch die Ängste eines systemischen Zusammenbruchs weiter verstärkt. Die Aufmerksamkeit hat sich in Richtung der Währungen verlagert. Es gibt jetzt einen Verlust des Vertrauens in das Währungssystem, da der Schuldenballast der Länder viel zu hoch ist, deren Aufgabe es ja eigentlich sein sollte, dem Papierwährungssystem Vertrauen einzuimpfen. Und man geht davon aus, dass sich die Staatsschuldenkrise künftig noch weiter verschärfen wird.

Veränderung der Struktur des Goldmarkts

Die Veränderungen am Gold- und Silbermarkt waren struktureller Art. Die Märkte sind jetzt globale Märkte, und Menschen aus aller Welt, aus verschiedensten Kulturen und in verschiedensten Lebensabschnitte partizipieren nun an diesen Märkten.

  • Die grundlegende Ausrichtung des Goldmarkts hat sich geändert, was von der Beschränkung der Goldverkäufe durch die europäischen Zentralbanken, über die völlige Einstellung dieser Verkäufe, bis hin zu der Tatsache reicht, dass die Zentralbanken auf den „offiziellen“ Goldmärkten nun wieder als Käufer agieren.
  • Institutionelle Investoren aus Amerika haben sich jetzt anderen Investoren hinzugesellt, welche Edelmetalle langfristig halten und nicht, um damit kurzfristige Gewinne zu erzielen, was ebenfalls eine Veränderung darstellt. Das Aufkommen von börsennotierten Goldfonds hat neue große Investoren in den Goldmarkt gebracht, dasselbe geschah auch im Silbermarkt.
  • Während die Staatschuldenkrise Europas den Euro in Frage stellt, wenden sich die Europäer, die alleine in den letzten 100 Jahren zahlreiche Währungszusammenbrüche erlebten, jetzt physischem Gold zu, damit es, das hoffen sie zumindest, außerhalb der Reichweite der Regierungen ist.
  • In Indien gibt es trotz der Preissteigerungen bei Gold eine starke Goldnachfrage, da die Mittelschicht des Landes immer globaler agiert und sich weiter vergrößert. Wir sollten daher damit rechnen, dass die Inder beim Kauf von physischem Gold dieses Jahr fast wieder an ihr Rekordniveau heranreichen werden. Wie immer, tun die Inder dies nicht aus Profitstreben, sondern weil sie Gold als Geld ansehen und die finanzielle Sicherheit auf diese Weise sicherstellen wollen.
  • China hat sich innerhalb der vergangenen 10 Jahre in die zweitgrößte Wirtschaft der Welt verwandelt, und die Chinesen sind gerade auf dem Weg die größte Wirtschaft der Welt zu werden, während in China aktuell 4 Mal so viele Menschen wie in den Vereinigten Staaten leben. Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts gab es in China gerade einmal einen winzigen Goldmarkt, der jedoch dank der Unterstützung der Regierung mittlerweile atemberaubend anwuchs. Mit ihren neuen Vermögenden ist der Hang der Chinesen, ihre Gelder anzusparen, nach wie vor ungebrochen. Die Sparquote beläuft sich auf rund 40% des Einkommens. Die chinesische Regierung und die Bürger des Landes bevorzugen Gold als Geld und Mittel zum Sparen. Während in China die Inflation den Zinssätzen vorausseilt, stellt sich Gold als das führende Investment heraus. Die potentielle Goldnachfrage aus China entspricht einem Vielfachen der einstigen und aktuellen Nachfrage in den Industrieländern.

Fällt Gold während einer wirklichen Wirtschaftserholung?

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Sachverhalte, ist es völlig offensichtlich, dass sich der Goldpreis unabhängig von dem Zustand der US-Wirtschaft entwickelt. Herr Ravi Kumar aus Mumbai versteht die Auswirkungen steigender oder fallender US-Eigenheimpreise überhaupt nicht. Herr Wan Ho aus Schanghai ist über die Renditen der US-Staatsanleihen nicht sonderlich besorgt.

Diese Menschen kaufen Gold aus völlig anderen Gründen, Gründe, die so alt sind wie die Menschheit selbst. Sie wollen sich und ihre Zukunft schützen. Das wird sich auch nicht ändern, sollte das US-Wachstum auf 10% springen, ganz abgesehen von 3%.

Die Gründe für den Anstieg des Goldpreises bis zum Jahre 2008 haben nur sehr wenig mit dem US-Wirtschaftswachstum zu tun, und genau diese Gründe sind es auch, die Gold im Jahre 2011 und darüberhinaus weiter nach oben treiben werden. Der Preisanstieg hat vor allem mit dem Geldsystem zu tun und nicht mit dem Wirtschaftswachstum oder dem Ausbleiben desselbigen.

Das US-Wirtschaftswachstum hätte auf den Goldpreis nur insofern Auswirkungen, als dass sich das Investmentklima wieder erholen würde und die US-Investoren finanziell wieder stärker in Gold und in Silber investieren könnten.

Kurzum: Beim Anstieg des Goldpreises geht es um den Zustand des Geldes in den Industrieländern.

Bei Weitem wichtiger ist jedoch, dass sich der Goldmarkt, der im Wesentlichen durch die Industrieländer und Indien geprägt war, mittlerweile in einen globalen Markt verwandelt hat. Als Geld, als Reserveanlage und als internationales Wertmaß verfügt Gold über wesentlich bedeutendere Auswirkungen, die für Goldinvestoren wesentlich wichtiger sind, als eine Erholung der US-Wirtschaft…

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