Solange die Europäische Union den europäischen Völkern wirtschaftliches Wohlergehen versprechen konnte, war alles in Ordnung. Mittlerweile hat die EU aber nichts mehr zu bieten, außer lähmende Austeritätsmaßnahmen. Die Aufstände und Unruhen werden weiter zunehmen
The Daily Bell, 28.02.2011
„Sie blockieren die Mautkassen an den Autobahnen, um Fahrern eine kostenlose Durchfahrt zu ermöglichen. Sie decken die Fahrkartenautomaten der U-Bahn mit Plastiktüten ab, so dass die Fahrgäste nicht zahlen können. Ja selbst Ärzte beteiligen sich und halten die Patienten davon ab, die Gebühren für die staatlichen Krankenhäuser zu entrichten.
Einige nennen es zivilen Ungehorsam, andere Schmarotzertum. Wie dem auch sei, die ´Ich werde nicht zahlen`-Bewegung Griechenlands hat eine hitzige Debatte in dem von der Schuldenkrise angeschlagenen Land ausgelöst, eine Krise, welche die Regierung zwang, drastische Austeritätsmaßnahmen zu ergreifen – zu denen höhere Steuern, Gehalts- und Rentenkürzungen und Kostenanstiege bei öffentlichen Dienstleistungen gehören.“ – MSNBC.com, 22.02.2011 „Die ´Ich werde nicht zahlen`-Bewegung breitet sich in ganz Griechenland aus“
Vorherrschendes gesellschaftliches Thema: Hier ist alles in Ordnung. Sollen die Griechen doch auch einmal „ihren Moment“ haben.
Freimarktanalyse: Es ist bereits seit langem unsere Auffassung und wurde von uns auch vielfach vorgebracht, dass sich die Stämme Europas die Austeritätsmaßnahmen, die Europa nun auferlegt worden sind, nicht einfach so gefallen lassen werden. Das gilt im Besonderen für die PIGS-Länder – die Länder im Süden Europas.
Wir behaupteten, dass die Stämme Europas altertümlich sind, Vorfahren von Horden, die bereits das antike Rome wegfegten. Diese europäischen Bürger gehören speziellen Clans und ethnischen Gruppen an, und solange die Europäische Union wirtschaftliches Wohlergehen in Aussicht stellte, beteiligten sie sich freudig an ihr. Jetzt gibt es aber nicht mehr viel Positives, was damit verbunden wäre, der Europäischen Union anzugehören, und die Unruhen werden unserer Meinung nach weiter zunehmen.
Komischerweise wird nicht viel darüber berichtet, zumindest nicht regelmäßig. Die westlichen Massenmedien haben sich den Revolutionen im Nahen Osten und Afrika zugewandt und lassen Europa im Augenblick außer Acht.
Bei den europäischen Austeritätsmaßnahmen handelt es sich natürlich um ein vorherrschendes gesellschaftliches Thema: Europa hat einige Schläge einstecken müssen, ist aber nun auf dem Wege der Erholung. Es braucht seine Zeit, bis sich die Menschen an die Austerität gewöhnt haben, aber die Bürger Europas werden zum Wohle der Allgemeinheit damit klarkommen.
Wir sind uns da nicht so sicher. Die angloamerikanische Machtelite hat die westliche Welt mit dem System des Zentralbankwesens in den Ruin getrieben. Vielleicht glaubt die Elite, dass die Europäer bezüglich militärischer Auslandseinsätze und einer immer stärker werdenden globalen Zentralisierung weniger Widerstand leisten werden, wenn sie zwischen Nahrungsmittelknappheit und Arbeitsplatzknappheit gefangen sind.
Wir sind jedoch immer der Meinung gewesen, dass derartige Manipulationsversuche im Zeitalter des Internets zunehmend durchsichtiger werden und dazu neigen, immer weniger akzeptiert zu werden. Wenn man die Nachrichten verfolgt – so wie wir es als Jäger auf der Suche nach vorherrschenden Themen tun – stößt man auf eine zunehmende Zahl von Hinweisen, dass es hier an verschiedenen Fronten zu Rückschlägen kommt.
Da wären zum Beispiel die britischen Studentenunruhen, denen viel Aufmerksamkeit zuteil wurde, bevor der Winter richtig einsetzte. In Griechenland halten die Proteste jedoch weiter an und breiten sich immer mehr aus, ohne dass die Massenmedien hierüber berichten würden. Die irischen Wähler warfen aufgrund der EU-Austeritätsverhandlungen ihre Regierung raus und Island – das kein Mitglied der EU ist – stellte sich dem Druck entgegen, seine Banken zu retten. Island geht es wirtschaftlich nun augenscheinlich auch besser als Irland. In diesem Artikel wollen wir diese Trends näher untersuchen.
Die griechische Ich-werde-nicht-zahlen-Bewegung erhielt in den Massenmedien kaum Aufmerksamkeit, verbreitet sich jedoch dessen ungeachtet in ganz Griechenland. Die Protestler tragen oft Westen, bei denen auf dem Rücken die Aufschrift „totaler Ungehorsam“ zu finden ist, während sie skandieren: „Wir werden für eure Krise nicht zahlen!“ MSNBC berichtete ebenfalls darüber, dass die Ärzte staatlicher Krankenhäuser die Kassen blockieren, so dass ihre Patienten die vorgeschriebenen EUR 5 pro Besuch nicht entrichten müssen.
Auf der anderen Seite beschweren sich die Kritiker über dieses Verhalten. In dem MSNBC-Artikel wird der Kolumnist Dionysis Gousetis der Tageszeitung Kathimerini mit den Worten zitiert:
„Der Weg von anfänglicher Gesetzlosigkeit bis hin zu schamloser Verantwortungslosigkeit ist wie ein sich ausbreitender Krebs…Jetzt, wo diese Krise als Alibi hergenommen wird…verstecken sich die Schmarotzer nicht. Sie erscheinen in der Öffentlichkeit und führen sich stolz wie Helden zivilen Ungehorsams auf. So wie Rosa Parks oder Mahatma Ghandi.“
Der Premierminister von Griechenland, George Papandreou, soll in einer Rede vor dem griechischen Parlament angeblich das Folgende gesagt haben:
„Sie glauben, dass die Gesetzlosigkeit etwas Revolutionäres ist, was dem griechischen Volk weiterhilft…Es ist die in unserem Land bestehende Gesetzlosigkeit, für die das griechische Volk nun zu zahlen hat.“
Papandreou ist die Persönlichkeit, welche die Umstrukturierung Griechenlands im Rahmen der Austeritätsmaßnahmen maßgeblich vorantrieb. Diese beinhaltet zum einen die Nutzung von EU-Krediten und zum anderen bedeutende Streichungen bei den Staatsausgaben.
Der vielleicht am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit stehende Teil des griechischen Austeritätsplanes betrifft die aggressiven Maßnahmen zur Eintreibung von Steuern, auf die sich die Regierung nun verlegt hat. Einige Schätzungen veranschlagen die sich aus der Steuerflucht für Griechenland jährlich ergebenden Verluste mit bis zu USD 30 Milliarden.
Es wurden verschiedene Gesetzte verabschiedet, die der Regierung mehr Befugnisse bei der Steuereintreibung einräumen. So hat Griechenland beispielsweise alle Barzahlungen über EUR 1.500 verboten, um sicherzustellen, dass die einzelnen Transaktionen auch nachverfolgt werden können.
Regierungsbeamte verwenden Luftbildaufnahmen griechischer Häuser, um herauszufinden, ob die Swimming Pools der einzelnen Anwesen besteuert worden sind. Die Regierung hat ein hochrangiges Team zur Steuereintreibung einberufen und damit beauftragt, alles Notwendige zu tun, damit die Griechen sich an die Steuergesetzgebung halten.
Jetzt, ein Jahr später, wissen wir jedoch, dass all diese Bemühungen nur wenig Erfolg hatten. Tatsache ist, dass die griechische Regierung ihre Einnahmen kaum erhöhen konnte. Sie verabschiedete jetzt sogar ein Steueramnestieprogramm, das es den Steuerzahlern erlaubt, säumige Steuernachzahlungen mit 45% Abschlag zu begleichen. Auch dies führte zu Wut unter den Kritikern, die der Meinung sind, dass dieses Amnestieprogramm der Botschaft von Recht und Ordnung entgegensteht, welche die Regierung eigentlich vermitteln sollte.
Verlassen wir Griechenland für einen Augenblick und schwenken nach Irland. Die jüngsten Wahlen haben dafür gesorgt, dass die irische Partei Fianna Fail aus der Regierung geworfen wurde und eine vernichtende Niederlange erlitt. Fianna Fail musste rund zwei Drittel aller Parlamentssitze abgeben…eine Protestabstimmung gegen die Austeritätsmaßnahmen.
Der Wahlsieger, Enda Kenny von der Partei Fine Gael, machte mit einem Programm Wahlkampf, worin es hieß, dass man bezüglich der irischen Rettung sowie den harten Austeritätsmaßnahmen, die Irland auferlegt wurden, nachverhandeln würde. Am selben Tag, als er den Sieg erklärte, gab Kenny bekannt, dass er mit den EU-Führern bezüglich der Neuverhandlungen des EUR 85 Millionen EU-IWF-Rettungspakets bereits in Kontakt stehe.
Zu der hart umkämpften Wahl gehörte auch ein Vergleich mit Island, ein Land von ähnlicher Größe mit ähnlichen Belastungen. Die Isländer widersetzten sich jedoch dem Druck, ihre verlustbringenden Banken nach dem Crash des Jahrs 2008 „zu retten“. Irland, die USA und andere Länder versorgten ihre Banken hingegen mit neuer Liquidität; Island ließ sie in die Insolvenz gehen, und die Kreditoren – und nicht die Steuerzahler – hatten die Verluste zu tragen.
Zur selben Zeit brach die isländische Krone um 58% ein, die Inflation schoss in die Höhe und das Bruttoinlandsprodukt ging drastisch zurück. Diese Auswirkungen führten zum Sturz der Regierung und der Premierminister trat zurück.
Dieses Jahr geht man jedoch davon aus, dass die isländische Wirtschaft wieder um 3% wachsen wird, und Islands umstrukturierten Banken geht es wieder gut. Die Beschäftigung legt ebenfalls wieder zu.
Kein anderer als der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz wurde jüngst in einem Artikel des New Zealand Herald mit den Worten zitiert: „Irland hingegen hat alles falsch gemacht. Das ist vielleicht das schlechteste Modell.“ Und in der Tat hat Irland seinen Banken bisher mit rund EUR 46 Milliarden unter die Arme gegriffen, und es ist kein Ende in Sicht.
Island hat immer noch mit der Rückzahlung seiner Schulden an Großbritannien und die Niederlande zu kämpfen, Schulden, die wegen der Finanzkrise noch zurückgeblieben sind. Das Land wird ein zweites Referendum bezüglich der Rückzahlung von rund USD 5 Milliarden abhalten, die man Großbritannien und der Niederlande schuldet, da deren Sparer ihr von der Icesave-Bank gehaltenes Geld verloren, als die isländische Bank Landesbanki zusammenbrach.
Natürlich existiert in libertären Kreisen auch die Auffassung, dass die Austerität für die südlichen Länder Europas eine feine Sache sei, da die Regierungen viel zu lange eine verschwenderische Ausgabenpolitik verfolgten. Diese Auffassung ist unserer Meinung nach nicht ganz richtig.
Im Grunde genommen hat die EU die südeuropäischen Eliten bestochen, der Union beizutreten, indem die EU Gelder bewilligte, mit denen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte angeblich ausgeglichen werden sollten. Diese Gelder wanderten jedoch lediglich in die Taschen der Spitzenpolitiker und Unternehmer dieser südeuropäischen Länder.
Darüberhinaus inflationierten die westlichen Zentralbanken im vergangenen Jahrzehnt außerordentlich großzügig. Man kann sich nur darüber wundern, wie es der EU möglich gewesen ist, den ganzen Laden bis zum Zusammenbruch im Jahre 2008 derart in Schuss zu halten. Es scheint fasst so, als wären sich die Eurokraten darüber im Klaren gewesen, was passieren wird, und hätten die Union aufgrund dessen so gut herausgeputzt, als es nur ging.
So „förderte“ die EU vor dem Zusammenbruch beispielsweise noch die europäische Mittelschicht – also dieselbe Mittelschicht, deren Steuergelder nun wieder in die Säckel der Banken fließen, während die PIGS-Länder damit zu kämpfen haben, ihre gigantischen Kredite zurückzuzahlen, von denen abermals nur eine kleine Gruppe auf Kosten vieler profitierte. Austerität ist nichts weiter als eine weitere Manipulation der Elite und weder unvermeidlich noch fair.
Schlussfolgerung: Wir würden dahingehend argumentieren, dass im jetzigen Internetzeitalter viel zu viele der aufsässigen europäischen Stämme nur zu gut begreifen, was hier tatsächlich stattgefunden hat. Wir werden sehen, was der Frühling bringt. In der Zwischenzeit kommt ja auch noch die Entscheidung über die deutsche Klage bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des EU-Rettungsfonds.
Aktuell kann man kleinere und größere Handlungsstränge eines Prozesses beobachten, den wir als den Zusammenbruch der EU beschreiben würden. Und über das Wichtigste wird in den Medien aktuell überhaupt nicht berichtet: Die anhaltende und weiter anwachsende Unzufriedenheit bezüglich des Status Quo. Die Auswirkungen dieser Unzufriedenheit, wirtschaftlich wie auch in anderer Hinsicht, sind jedoch von allergrößter Bedeutung.