Glück gehabt: Der Wirtschafts-Crash wird nicht durch einen Mangel an Papiergeld ausgelöst werden. Unterdessen werfen die FED, die BoE und die EZB Nebelkerzen. So hat die EZB jüngst den Leitzzins angehoben – ein nettes mediales Ablenkungsmanöver, um sich Luft für die maßgeblichen hinter den Kulissen stattfindenden Aktionen zu verschaffen. Den Zentralbanken ist die Inflation schnuppe. Es geht ausschließlich darum, die Pleiteländer und das insolvente Bankensystem über Wasser zu halten sowie den Preisausbruch von Gold und Silber einzudämmen
Alasdair McLeod, Finance and Economics, 11.04.2011

Die Europäische Zentralbank ist vergangene Woche massiv kritisiert worden, weil sie die Rettung der PIIGS-Länder durch ihre Zinsanhebung angeblich schwieriger gestalten würde. Dennoch könnte sich die Anhebung des Leitzinses als vernünftiger Schritt herausstellen: Ein Anstieg des Leitzinses und die ein oder zwei anderen Zinserhöhungen, die sicherlich noch folgen werden, dürften in Wirklichkeit nur begrenzte Auswirkungen auf die Finanzierungsprobleme der Eurozone haben, während der Ruf der EZB als Verteidigerin der Preisstabilität und Kämpferin gegen die Inflation gestärkt wird.

Des weiteren dürften die Anhebung des Leitzinses und weitere kleine Anstiege im Verlaufe dieses Jahres der EZB Raum für Maßnahmen verschaffen, die nicht in die Schlagzeilen geraten, besonders wenn es darum geht, die Kredite für die insolventen Banken auszuweiten, um diese so vor dem Untergang zu bewahren.

Wir können nun davon ausgehen, dass die FED schon bald nachfolgen wird, um den Dollar zu stabilisieren und weil ein Mittelweg zwischen den allzu simplen Alternativen gefunden werden muss, nun, nachdem die Nullzinspolitik mehr oder weniger am Ende ist.

Die krassere Alternative bestünde darin, dass die US-Notenbank ihre quantitativen Lockerungsmaßnahmen aussetzt und bedeutend höhere Zinssätze zulässt, was die Obama-Regierung in den Bankrott und die US-Wirtschaft in einen tiefgreifenden wirtschaftlichen Reinigungsprozess stürzen würde.

Die andere Alternative wäre, die Nullzinspolitik beizubehalten und eine dritte Runde der quantitativen Lockerung aufzulegen, was aber die Stagflation weiter anheizt, die dann durch einen abwertenden Dollar noch zusätzlich verstärkt würde.

Es muss zwischen den beiden Alternativen also sehr sorgsam ein Mittelweg ausgearbeitet werden.

Bei der öffentlichen Debatte bezüglich der heraufziehenden Krise wird der FED im Hinblick auf die realen Probleme, mit denen sie konfrontiert ist, nur außerordentlich wenig Verständnis entgegengebracht. Die Kommentatoren scheinen nicht wahrhaben zu wollen, dass die eigentliche Politik hinter den Kulissen stattfindet und sich Bernanke, Trichet und King in diesen schwierigen Zeiten fortwährend untereinander abstimmen.

Die Kritiker scheinen nicht in der Lage zu sein zu begreifen, dass die Hauptsorge der Zentralbanken nicht der Inflation gilt – vielmehr geht es darum, die viel zu stark fremdkapitalfinanzierten Banken während einer Phase der Kreditdeflation im Privatsektor über Wasser zu halten.

Die Probleme, mit denen das fraktionale Reservesystem konfrontiert ist, haben sich seit der Lehman-Krise zwar zusehends verschlimmert, dennoch taucht die Frage der Solvenz der Banken kaum noch in den Medien auf.

In den USA verfügen aktuell 25% aller Haushalte über kein oder negatives Eigenkapital. In 2007 waren es noch 18,6%. Der Wert der US-Eigenheime ist seit 2005 um USD 6,3 Billionen gesunken. In 2010 gab es bei 12,5% aller Haushalte mindestens eine Person, die arbeitslos war. Und der durchschnittliche Schuldenstand eines US-Haushalts erreichte 135% des durchschnittlichen jährlichen Haushaltseinkommens.

Diese Statistiken warnen uns, dass, sollte sich die amerikanische Wirtschaft nicht erholen, es in den USA zu einer selbstgezüchteten Bankenkrise kommen wird. Des Weiteren sind die US-Banken selbstgefällig geworden und haben ihre Verluste unter Mitwisserschaft der US-Rechnungslegungsbehörde Federal Accounting Standards Board einfach versteckt. Aus den Augen aus dem Sinn – solange die FED frische Gelder schaffen kann, indem sie Schulden zu künstlich hohen Preisen aufkauft, ja warum sollte man sich da Gedanken machen?

Es ist jedoch naiv anzunehmen, dass sich die FED über die Fragilität des inländischen Bankensystems nicht im Klaren ist. Genauso naiv ist es anzunehmen, dass die Zentralbanken nicht über einen konzertierten Plan verfügen würden, wie man mit dieser bedeutenden Bankenkrise umgeht.

Die Zentralbanken werden eine ganze Reihe an „Was wäre wenn“-Szenarios durchgespielt haben, die von einem Zusammenbruch des Derivatemarkts bis hin zu einem altmodischen systemweiten Bank-Run reichen. Sie werden Pläne ausgearbeitet haben, wie sie gemeinsam auf eine weitreichende, vollumfängliche Krise reagieren.

Und Sie können darauf wetten, dass die wichtigsten Zentralbanken angesichts der aktuellen Instabilität des Systems bei ihrer Zinspolitik außerordentliche Vorsicht walten lassen, weshalb es auch unwahrscheinlich ist, dass die vergangene Woche durchgeführte Zinsanhebung der EZB nicht mit aller Sorgfalt durchdacht wurde.

Es ist offenkundig, dass die EZB damit den Druck auf die FED und die BoE erhöht hat, früher oder später ebenfalls den Leitzins anzuheben. Darüberhinaus sind die FED und die BoE angesichts der unaufhörlichen Preisanstiege bei Gold und Silber ohnehin zu einer Anhebung des Leitzinses gezwungen.

Bei der Drückung von Gold und Silber handelt es sich um einen Mechanismus, der nun endgültig und anschaulich gescheitert ist, was bei den auf fallende Preise spekulierenden Short-Positionen an der Rohstoffbörse Comex aktuell zu steigenden Kosten führt, während sich die Konteninhaber an der physischen Edelmetallbörse LBMA in ein bedeutendes systemisches Risiko verwandelt haben.

Auch die steigenden Rohstoff- und Energiepreise zeigen deutlich an, dass die Nullzinspolitik der FED inflationär und nicht mehr geeignet ist. Die FED würde natürlich lieber auf weitere Hinweise einer wirtschaftlichen Erholung warten, bevor sie die Zinsen anhebt – ein Luxus, den sie sich nun aber nicht mehr leisten kann.

Die Realität ist, dass die FED auf verlorenem Posten steht, ihren Kampf jedoch fortsetzen muss. Die FED hat das Ende der Nullzinspolitik so weit es geht hinausgezögert, indem sie das Märchen verbreitete, dass die Kerninflation immer noch niedrig sei.

Jetzt ist aber der Zeitpunkt gekommen, wo die FED die Initiative übernehmen und den Leitzins in einem ersten kleinen Schritt anheben müsste. Dies würde darauf abzielen, bei Gold Dampf abzulassen und den Dollar zu stabilisieren, wodurch die Inflationsängste abgeschwächt würden. Zur selben Zeit würde es bei den Finanzierungskosten der Banken und der Regierung kaum etwas ändern.

Zweifelsohne wird man der FED vorwerfen, sie hätte den Leitzins angehoben, weil dies zuvor bereits seitens der EZB getan wurde. Die Realität ist aber, dass die FED natürlich lange im Voraus über die Zinsanhebung der EZB Bescheid wusste und sich daher entsprechend darauf vorbereiten kann, die Nullzinspolitik zur rechten Zeit zu beenden.

Aus der Notwendigkeit kann dann sogar noch Vorteil gezogen werden: Das Ende der Nullzinspolitik wird der FED als Darfschein dienen, mit dem sie ihre Programme der quantitativen Lockerung weiter aufrechterhält, da außer der US-Notenbank ansonsten niemand Obamas Defizit finanzieren wird, auch dann nicht, wenn die Renditen für US-Staatsanleihen steigen.

Die Geldpolitik der FED wird sich also der Geldpolitik der EZB anpassen: Die Zinssätze so wenig wie möglich steigen zu lassen, während man die Regierungen und Banken im gesamten Bankensystem rettet. Und vor allem: Beten!

Mit dem Ende der Nullzinspolitik wird das alles überragende Ziel dann darin bestehen zu verhindern, dass die USA in eine Depression abrutschen. Die US-Wirtschaft ist immer noch die Wirtschaftslokomotive, die den Zug der westlichen Industrienationen antreibt. Sollte die Lokomotive versagen, kommt der ganze Zug zum Stehen.

Jede zusätzlich gewonnene Zeit, die uns durch die Gelddruckerei erkauft wurde, erlaubt es uns, weiter in der Hoffnung zu reisen, dass die Wirtschaftserholung kurz bevorsteht – andernfalls würde es bei den Banken zu einer weitreichenden und schwerwiegenden Verkürzung der Bilanzen kommen.

So deuten beispielsweise die Aktienpreise von Bank of America und Citigroup – beide Banken sind bedeutende Bestandteile des amerikanischen Finanzsystems – darauf hin, dass sie überhaupt nicht mehr in der Lage sind, weitere bedeutende Belastungen zu verkraften.

Und wenn man dann noch die aufgepäppelten US-Statistiken bezüglich der Arbeitslosigkeit, der Inflation und des Bruttoinlandsprodukts abzieht, dann befindet sich der US-amerikanische Privatsektor gegenwärtig in Wirklichkeit im Niedergang.

Wahrscheinlich kann der US-Leitzzins aber in ein paar kleinen Schritten erhöht werden, ohne dass dies allzu viel Schaden anrichtet, solange nur die Programme der quantitativen Lockerung zur Finanzierung des US-Haushaltsdefizits aufrechterhalten werden.

Dieses „sich Zeit kaufen“-Projekt ist am Ende natürlich zum Scheitern verdammt, sollte das System nicht zuvor bereits durch einen Schwarzen Schwan, eine unvorhergesehene Katastrophe, zersetzt werden. Aber noch einmal: Wir können uns ziemlich sicher sein, dass die EZB, die FED, die BoE, die BoJ und andere wichtige Zentralbanken für einen solches Ereignis Notfallpläne ausgearbeitet haben.

Beispielsweise wurde erst heute seitens des britischen „Unabhängigen Ausschusses zum Bankenwesen“ vorgeschlagen, dass ein Verteidigungsring erstellt werden sollte, durch den das inländische Bankenwesen vom ausländischen Bankenwesen abgegrenzt wird. Dadurch würde sichergestellt, dass die Kreditlinien, die Sichteinlagen auf den Bankkonten und das Netzwerk der Bankautomaten auch im Falle einer systemischen Krise funktionieren. Es ist die einzig praktische Strategie, um zu gewährleisten, dass das Geld im Falle einer Bankenkrise weiter im Landesinneren zirkuliert – und Sie können sich sicher sein, dass diese Strategie zuvor mit der Bank of England abgestimmt wurde.

Obwohl diese Strategie Sinn macht, sollten die Auswirkungen derselbigen gut durchdacht sein. Der Plan beinhaltet, dass die Aktivitäten des inländischen Bankenwesens während eines Finanztsunamis automatisch unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Politisch wäre dies äußerst populär. Weniger populär wäre, dass in diesem Falle auch die Bonzen der Branche mit hinübergerettet würden.

Die reinen Finanzaktivitäten der Banken sind jedoch auch für das Überleben und die Operationen der Großbanken notwendig, also dürfen diese ebenfalls nicht unterbrochen werden. Dies kann praktisch und politisch dadurch erreicht werden, indem die Rettung des internationalen Bankenwesens und der Investmentbanken auf die Zentralbanken abgewälzt wird.

Damit hätten wir dann alle Voraussetzungen für Plan B zusammen – dem globalen Plan, der in Kraft tritt, sollte ein Schwarzer Schwan eintreffen oder sich die US-Wirtschaft nicht erholen. Wird man dadurch die Banken retten? Vielleicht, aber der Preis bestünde in einer beschleunigten Gelddruckerei zum Zwecke der Systemrettung und den dann entstehenden Kosten, sollte der Plan nicht aufgeben.

Alles in allem verhindert Plan B zumindest, dass der Wirtschaftszusammenbruch aufgrund eines Mangels an Papiergeld erfolgt. Und da Ökonomen wie Dr. Bernanke ihre Arbeit der Verhinderung der Deflation gewidmet haben, ist es nun auch an der Zeit, Plan B einzuleiten und den Leitzins um 0,25% anzuheben.

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