Die erstaunliche Explosion der Goldnachfrage, die chaotischen Währungsschwankungen und das europäische Schuldenfiasko sind zurzeit die bestimmenden Preisfaktoren des gelben Metalls

Frank Holmes, U.S. Global Investors, 25.11.2011

Die erneut anziehenden Investments hatten zur Folge, dass die weltweite Goldnachfrage im dritten Quartal 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 6% auf über 1.000 Tonnen zulegen konnte, so der jüngste Goldtrendbericht des World Gold Council (WGC). Die kraftvolle Mixtur aus Inflationsdruck in den Schwellenländern und dem europäischen Staatsschuldenfiasko sorgt dafür, dass die Investoren weiterhin nach einem sicheren Hafen Ausschau halten.

In einer unsicheren Phase, wo zahlreiche Vermögenswerte an Wert verloren haben, konnte Gold Zugewinne verbuchen. Der Goldpreis lag im dritten Quartal 2011 im Schnitt bei USD 1.700 pro Unze – das ist ein 39%iger Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und ein 13%iger Anstieg im Vergleich zum Vorquartal, so WGC.

Innerhalb der vergangenen zwölf Monate legte die Goldnachfrage um 33% zu und erreichte im dritten Quartal 2011 neues Allzeithoch. Bei der Investmentnachfrage waren in allen Bereichen Anstiege zu verzeichnen. Während die Investitionen in physisches Gold – in Goldbarren und Goldmünzen – innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 29% in die Höhe schossen, erreichten auch die börsennotierten Goldfonds (ETFs) ein neues Allzeithoch.

Bis auf Indien, Japan und die USA kam es in allen weltweiten Märkten zu Anstiegen bei der Investmentnachfrage. In vielen dieser Länder – außer in Thailand und Saudi-Arabien – lagen die Zuwachsraten bei der Investmentnachfrage im zweistelligen Prozentbereich.

Während die Investmentnachfrage im Verlaufe des dritten Quartals 2011 stark zulegen konnte, fiel die Schmucknachfrage den wirtschaftlichen Instabilitäten und Preisschwankungen zum Opfer und ging innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 10% zurück. Nur vier Märkte hatten bei der Schmucknachfrage Zuwächse zu verzeichnen: China, Hong Kong, Japan und Russland.

Das WGC erklärte, dass die Verschiebung der Nachfrage in Richtung der wachstumsstarken Wirtschaften „im Goldmarkt unzweifelhaft heraussticht“. Nirgends in der Welt wird diese Tatsache offenkundiger als in China, wo die Bevölkerung einen schier unersättlichen Goldhunger zu haben scheint.

Die chinesische Goldnachfrage belief sich seit Anfang dieses Jahres auf rund 612 Tonnen und hat damit bereits die Gesamtnachfrage des Jahres 2010 übertroffen. Die Chinesen kaufen das gesamte in chinesischen Minen geförderte Gold auf. Man geht davon aus, dass sich die Goldimporte Chinas dieses Jahr auf 400 Tonnen belaufen könnten. Das entspricht ungefähr der Goldnachfrage des Nahen Ostens, der Türkei und Indonesiens in 2010 zusammengenommen – und wir sprechen hier nur von den Importen.

Die chinesische Verbrauchernachfrage stieg im dritten Quartal 2011 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13%. Die Chinesen holen gegenüber den Indern also immer weiter auf. Die Goldschmucknachfrage Chinas stieg ebenfalls um 13% und liegt somit bereits das vierte Mal seit Januar 2003 über der Indiens. Zusammengenommen belaufen sich die Käufe dieser beiden Giganten auf 50% der weltweiten Goldschmucknachfrage.

Beim WGC heißt es dazu: „Chinas steigende Nachfrage wird durch die steigenden Einkommensniveaus angeheizt, die eine Begleiterscheinung von Chinas rasantem Wachstum sind.“ Dieses Wachstum hat dafür gesorgt, dass es in Chinas ländlichem Raum mittlerweile mehr als 100 Millionen Goldbugs gibt.

Laut dem WGC zeichnen Chinas kleinere Städte für den überwiegenden Teil der Zuwächse bei der Goldschmucknachfrage verantwortlich. Darüber hinaus verfügt der chinesische Goldsparplan (GAP) – ein gemeinsames Produkt der Industrial & Commercial Bank of China (ICBC) und des WGC, das es den Investoren erlaubt, Gold in kleinen Mengen zu kaufen – seit September dieses Jahres über zwei Millionen Goldsparer, die bei der ICBC ein solches Goldkonto halten. Das WGC erklärte, dass der Goldsparplan dieses Jahr bereits das Volumen von 19 Tonnen Gold überstiegen hat.

In dem zweitgrößten Goldschmuckmarkt der Welt sieht es nicht ganz so rosig aus. Die indische Goldschmucknachfrage ging um 26% zurück, da die Schwankungsfreudigkeit der indischen Rupie viele Investoren verschreckte. Die Rupie ist gegenüber dem US-Dollar alleine im dritten Quartal dieses Jahres um 9% im Wert gefallen und wies somit im Vergleich zur durchschnittlichen Quartalswertentwicklung der vergangenen fünf Jahre eine mehr als doppelt so hohe Entwertung auf.

Die indische Nachfrage erreicht gewöhnlich zwischen Juli und August ihren Tiefpunkt und gewinnt dann zu Beginn der Festsaison langsam an Fahrt. Wie das WGC meldete, ist diese Entwicklung dieses Jahr jedoch ausgeblieben, da die Verbraucher vor dem hohen und volatilen Goldpreis zurückschreckten:

„Das indische Verbrauchervertrauen wurde durch die anhaltend hohen inländischen Inflationsraten gedämpft. Die Inflation liegt zurzeit bei fast 10%, legt man den Großhandelspreisindex zu Grunde. Die Auswirkungen der Inflation auf die frei verfügbaren Einkommensniveaus und die allgemeine Verbraucherstimmung hatten nachteilige Folgen für die Schmucknachfrage.“

Währungseffekte auf den Goldpreis

Die Schwäche der Rupie gegenüber dem US-Dollar hatte negative Auswirkungen auf die indische Goldnachfrage. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht, welch dramatische Auswirkungen Währungsschwankungen auf den Goldpreis haben können:

In indischen Rupien legte der Goldpreis seit dem 30.06.2011 um mehr als 31% zu und hat sich somit im Vergleich zu dem auf Yen lautenden Goldpreis mehr als dreimal so stark verteuert. Das bedeutet, dass ein japanischer Verbraucher, der beabsichtigt Gold zu kaufen, bei seinem Händler nur ein Drittel der Preisaufschläge zu entrichten hat, mit denen sein Gegenüber in Indien konfrontiert ist.

Aufgrund der starken Aufwertung des japanischen Yen hat der auf Yen lautende Goldpreis im Vergleich zu anderen Währungen nicht so stark zugelegt. Ähnlich verhält es sich, wenn man den Euro mit dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan vergleicht – der Yuan ist an den US-Dollar gekoppelt – was darauf zurückzuführen ist, dass die Investoren aus dem Euro flüchten und sich dabei für den US-Dollar entscheiden.

Die Schwankungsfreudigkeit von Gold

Das Chaos an den Währungsmärkten hat die Schwankungsfreudigkeit von Gold auf ein Niveau geschraubt, das gegenwärtig rund doppelt so hoch ist wie der historische Schnitt des dritten Quartals, so das WGC. Unsere eigenen Untersuchungsergebnisse zeigen ebenfalls, dass diese wilde Berg- und Talfahrt des Goldpreises eher eine Anomalie darstellt.

Wir haben uns die Daten der vergangenen zehn Jahre angeschaut, um bei ausgewählten Vermögenswerten auf Monatsbasis Kursschwankungen von mindestens 10% herauszufiltern. Die Ergebnisse zeigen, dass Gold in 7% aller Fälle auf Monatsbasis Zugewinne oder Verluste von 10% oder mehr zu verzeichnen hatte, was ungefähr der Rate des S&P 500 Indexes entspricht. Im Vergleich dazu sind bei Rohöl in 30% der Zeit Ausschläge dieser Stärke zu beobachten.

Goldminenaktien waren ebenfalls bedeutend volatiler als das gelbe Metall. Beim NYSE Arca Gold Bugs Index (HUI) konnten auf Monatsbasis in 33% aller Fälle Kursausschläge von mindestens 10% beobachten werden.

In einem Markt, wo der Goldpreis einen Aufwärtstrend aufweist, könnte ein derartiges Kursverhalten den Minentiteln sogar zusätzlichen Auftrieb bescheren. Genauso gut könnten diese Schwankungen aber auch negative Effekte zur Folge haben, nämlich dann, wenn die volatilen Märkte die Investoren zu Überreaktionen veranlassen.

Der Ausblick

Am 24.11.2011 erklärte Marcus Grubb, der geschäftsführende Investmentdirektor des WGC, während einer Telefonkonferenz: „Ich glaube, dass die Makro-Situation immer noch sehr stark für Gold spricht, weil wir in der Eurozone immer noch keinen Kreditgeber der letzten Instanz haben.“

Und wo wir gerade von der Eurozone sprechen: Nigel Farage, der Führer der britischen Unabhängigkeitspartei (UKIP), wandte sich jüngst mit harschen Worten an das EU-Parlament. Farage ist einer der einflussreichsten konservativen Politiker Großbritanniens und ein unerschrockener Euroskeptiker, was heißt, dass er der Idee einer Europäischen Union nicht ideologisch verfallen ist.

Das Video hat sich im Internet rasend schnell verbreitet. Farage attackierte die EU-Führer mit den Worten:

„Wir stehen nun am Rande einer finanziellen und gesellschaftlichen Katastrophe, während wir hier im Raum die vier Männer haben, die dafür angeblich verantwortlich sein sollen … Und wer ist hier nun eigentlich verantwortlich? Wer trägt von Ihrem Haufen denn die Verantwortung? Die Antwort ist natürlich: Keiner von Ihnen, weil keiner von Ihnen gewählt worden ist. In Wirklichkeit verfügt keiner von Ihnen über die demokratische Legitimität für die Ihnen im Rahmen dieser Krise zuteil werdenden Aufgaben … Sie sollten für das, was Sie getan haben, alle zur Verantwortung gezogen werden. Sie sollten allesamt gefeuert werden.“

Ich glaube, dass Farage´s Auffassung von vielen Menschen geteilt wird, die angesichts der Circus-Show der Technokraten in Europa die Nase voll haben und wütend und verzweifelt sind. Das fiskalische Katastrophen-Karussell Europas wird sich in nächster Zeit mit Sicherheit kräftig weiter drehen und von den Medien massiv beleuchtet werden. Das wird zur Folge haben, dass der angstbasierte Goldhandel weiter anhalten wird, während sich der affinitätsbasierte Goldhandel in China und Fernost ebenfalls fortsetzen wird, wo sich die Menschen leidenschaftlich an dem gelben Metall ergötzen – eine Entwicklung, die Goldinvestoren natürlich gerne sehen.

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