Es ist eine der vornehmsten Pflichten einer jeden Zentralbank, die Goldbestände des Landes zu sichern. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden weltweiten religiösen, politischen, monetären und wirtschaftlichen Spannungen scheint es im höchsten Maße unverantwortlich, die Goldreserven eines Landes an den weltgrößten Finanzzentren aufzubewahren anstatt zu Hause
Julian D. W. Philips, Gold Forecaster, 06.02.2012
Die meisten Zentralbanken lagern das Gold ihres Landes in den Tresoren der Zentralbanken, wo auch die größten Finanzzentren beheimatet sind. Diese Finanzzentren sind unter anderem New York, London und Kanada.
In einer friedlichen, kooperativen Welt macht dieses Vorgehen auch Sinn, da es eine der Hauptaufgaben einer jeden Zentralbank ist, mit dem Gold den internationalen Handel zu bestreiten, sollte die eigene Landeswährung nicht mehr konvertierbar bzw. die Devisenreserven aufgebracht sein. Indem man das Gold außerhalb des eigenen Landes lagert, ist es direkt verfügbar, wenn es im Ausland für Zahlungen oder als Sicherheit benötigt wird.
Die Nachteile, wenn ein Land seine Goldreserven im Ausland hält
Vergangene Woche erklärte der Iran, dass er zurzeit 907 Tonnen Gold hält. Die Industrieländer haben es dem Iran gerade erst verboten, mit Gold und Silber Handel zu treiben – aber es gibt natürlich auch andere Orte als die Industrieländer, auf die sich der Iran zurückziehen kann, wenn das Land Edelmetalle handeln möchte.
Da das Gold der Iraner im eigenen Land gehalten wird, befindet es sich außerhalb des Zugriffs der Industrieländer. Hätte der Iran sein Gold stattdessen in den größten Tresoren der Industrieländer gelagert, wäre es gemeinsam mit den anderen im Ausland befindlichen iranischen Vermögenswerten eingefroren worden. Und auch wenn wir mit der Politik und den Einstellungen der Iraner vielleicht nicht konform, lässt sich bezüglich ihrer Goldlagerung mit Sicherheit einiges lernen.
Der tatsächliche Besitz und direkte Zugriff bedeutet, dass man über die Freiheit verfügt, mit einem Vermögenswert zu tun und zu lassen, was man will. In unserem Falle geht es um die Vermögensbestände einer Nation. Dass die Vermögenswerte des Iran gerade eingefroren werden, veranschaulicht deutlich, dass andere Länder in der Lage sind, diese Freiheit zu beeinträchtigen.
Die Regierungen fühlen sich dazu berechtigt, dem Vermögen anderer Menschen innerhalb ihres eigenen Rechtsraums Beschränkungen aufzuerlegen. Und genau dieses Konzept des „Rechts, die Eigentümerschaft zu beschränken“ wird sich in Zukunft als ein Problem erweisen, das zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.
Wir leben in einer sich verändernden Welt, wo die unterentwickelten Länder sich den Schwellenländern immer stärker angleichen, während die Schwellenländer auf Kosten der Industrieländer an Reichtum und Macht dazugewinnen. Gegenwärtig haben wir es also mit einer Vielzahl an Veränderungen zu tun, die darauf hinauslaufen, dass das Niveau der internationalen Zusammenarbeit aufgrund steigender politischer, religiöser, monetärer und ökonomischer Spannungen immer stärker zurückgehen wird.
Ein Land, das sich bezüglich dieser künftigen Entwicklungen im Klaren ist, ist Venezuela. Die venezolanischen Goldbestände befanden sich vor kurzem noch in den Tresoren Kanadas, Großbritanniens, der USA und Europas und entzogen sich somit der vollständigen Kontrolle des Landes.
Die Politik Venezuelas – wozu auch die Verstaatlichung der Goldminen und des Goldexports gehört – ist in den Industrieländern auf wenig Gegenliebe gestoßen. Und da es sich bei Venezuela vornehmlich um ein ölexportierendes Land handelt, erachtete es der im Ausland wenig beliebte Präsident als angemessen, das gesamte Gold des Landes wieder zurückzuholen.
Venezuelas Gold kommt nach Hause
Venezuela ist es tatsächlich gelungen, seine 160 Tonnen Gold aus den Lagerstätten der Industrieländer nach Hause zu bringen. Es steht außer Frage, dass die nationale Souveränität des Landes durch solch einen Schritt abgesichert wird. Venezuelas Gold kann nun nicht mehr Opfer der politischen Begehrlichkeiten der US-amerikanischen, kanadischen oder europäischen Regierungen werden.
Darüber hinaus verfügt Venezuela wohlmöglich noch über bis zu 3.000 Tonnen Gold in der Erde, und es ist recht wahrscheinlich, dass die Regierung dieses Gold ihren Beständen sukzessive – so lange es eben braucht, dieses Gold zu fördern – hinzufügen wird.
Im Grunde wären Sie dann in der Lage, mit den US-Dollars, die sie durch ihre Ölverkäufe erhalten, die Goldminen zu bezahlen – was nichts anderes heißt, als dass sie ihre nationalen Reserven von den Währungen in Richtung Gold umschichten würden. Würden sie diese Richtung einschlagen, ginge dem Goldmarkt eine weitere Quelle der weltweiten Goldversorgung verloren.
Unabhängig von der Politik eines Landes gehört es zu den zentralen Pflichten der Zentralbanker, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Gold der Nation zu schützen und den Wert seiner Devisenreserven zu kontrollieren.
Da wir es gegenwärtig mit einer globalen Vorherrschaft des US-Dollars zu tun haben, liegt ein großer Teil dieser Macht in den Händen des Währungs-Emittenten. Aber umso stärker die Probleme der Länder anwachsen, desto bedeutender wird es für die Zentralbanker, verstärkt Maßnahmen zu ergreifen, um die nationalen Reserven des Landes zu schützen.
Am gefährdetsten sind natürlich all jene Länder, deren politische Ansichten von denen der Industrieländer am stärksten abweichen oder deren internationaler Handel nicht auf die großen Industrieländer angewiesen ist. Letztlich ist es ja so, dass die großen Nationen gegenüber einer Art Wirtschaftskolonie wesentlich wirkungsvollere Mittel an der Hand haben, um ihren Einfluss geltend zu machen.
Die Schlussfolgerung aus all dem ist, dass die gefährdeten Länder logischerweise so viel Gold als möglich im eigenen Land halten sollten. Dass man Dollars in New York und Euros in Europa halten muss, daran können sie nur wenig ändern – doch ein Land wie Venezuela, dass seine Goldreserven nach Hause holt und zusätzlich noch über die „natürliche“ Vermögensdiversifikation in Form von Goldvorkommen im Boden verfügt, agiert durch den Ausbau der inländischen Goldbestände genau im Sinne dieser nationalen Interessen.
China geht denselben Weg
China hat den Goldexport gesetzlich verboten und die Zahl der Bankenlizenzen für Goldimporte beträchtlich erhöht. Das Resultat dieser Goldzuflüsse bei gleichzeitigem Ausbleiben jedweder Goldexporte ist, dass die Goldbestände Chinas rasch anwachsen:
- China hat in 2011 rund 361 Tonnen Gold produziert, während die Regierung den Ausbau der inländischen Goldförderung weiter vorantrieb. Bei dieser Zahl könnte es sich sogar um eine massive Untertreibung handeln, da das Gold-Recycling und die Goldproduktion der Mitglieder der China Gold Association bei den Berechnungen überhaupt nicht berücksichtigt wurden.
- Darüber hinaus wurden in 2011 490 Tonnen Gold über Hong Kong nach China eingeführt. Es ist durchaus denkbar, dass weitere Goldimporte auf anderen Wegen nach China gelangten, welche von dieser Gesamtzahl nicht erfasst wurden.
- Zu Beginn des chinesischen Jahr des Drachen sind die chinesischen Importe um 50% angestiegen, womit sich die Gesamtimporte, würde man es auf 2012 hochrechnen, auf 750 Tonnen Gold beliefen.
China bereitet Shanghai gerade darauf vor, zum Zentrum des Yuan-Handels und zu ihrem führenden Finanzzentrum zu werden. Gegenwärtig hat Hongkong diese Rolle inne – eine Stadt, die heute bereits über riesige moderne Goldtresore verfügt, was wir in einem vorangegangenen Artikel bereits beschrieben haben. In diesem Artikel hatten wir auch darauf hingewiesen, dass sich China nach unserem Dafürhalten im Laufe der Zeit in den zweitbedeutendsten, wenn nicht gar wichtigsten Goldumschlagplatz der Welt verwandeln wird.
Noch einmal: Die Chinesen haben es verboten, Gold außer Landes zu bringen! Somit könnte das privat gehaltene Gold der Chinesen natürlich zu irgendeinem Zeitpunkt Ziel staatlicher Beschlagnahme werden, um es den nationalen Lagerbeständen hinzuzufügen.