Während die Staatsmafia über eine Vielzahl von Möglichkeiten verfügt, die inländischen Halter von Staatsschulden zu manipulieren, auszupressen und zu enteignen, stehen der Verbrecherbande im Hinblick auf die Auslandsverschuldung nur sehr wenige Werkzeuge zur Verfügung, um sich von den lähmenden Folgen der Überschuldung zu befreien. Die südliche Eurozone ist ein Paradebeispiel für dieses Dilemma
Philipp Bagus, Mises.org, 05.06.2012
Ökonomen und Journalisten weisen oft auf die Gefahren der staatlichen Auslandsverschuldung hin. Die Inlandsverschuldung wird hingegen als weniger problematischer erachtet. Japan ist ein gutes Beispiel dafür. Japan hat ein enormes Schulden/BSP-Verhältnis von über 200%. Es wird aber gesagt, dass das hohe Verhältnis kein Problem sei, da die Sparquote der Japaner hoch ist und der überwiegende Teil der japanischen Staatsschulden von Japanern gehalten wird, also Inlandsverschuldung ist.
Im Gegensatz dazu hat Spanien ein wesentlich geringeres Schulden/BSP-Verhältnis – das Ende dieses Jahres bei rund 80% liegen soll – wird aber von vielen Investoren als instabiler erachtet. Einer der Gründe für die Fragilität der spanischen Schulden ist die Tatsache, dass die Hälfte der spanischen Staatsanleihen vom Ausland gehalten wird.
Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation aber recht fragwürdig. Als Spanier ist es mir doch egal, ob ich einen Kredit von einem spanischen oder einem deutschen Freund erhalte – warum sollte das bei der spanischen Regierung also anders sein? Warum sollte es die Regierung interessieren, ob die Kredite nun aus Spanien oder aus Deutschland kommen?
Letztlich basieren Regierungen auf physischer Gewalt oder der Androhung physischer Gewalt. Der Staat hat ein Gewaltmonopol über ein bestimmtes Gebiet. Und in dieser Gewalt liegt der entscheidende Unterschied. Im Inland gehaltene Schulden generieren Einkommen für die Bürger – Bürger, die unter Androhung von Gewalt besteuert werden können. Das legt nahe, dass ein Teil der auf im Inland gehaltene Staatsschulden gezahlten Zinsen über die Steuern zum Staat zurückfließt. Die Zinsen, die man für die im Ausland gehaltenen Staatsschulden entrichtet, unterliegen hingegen der Besteuerung ausländischer Regierungen.
Es gibt aber noch einen weiteren, überzeugenderen Grund, warum das staatliche Gewaltmonopol bei der Verschuldung eine so gewichtige Rolle spielt: Ein Privatbürger kann weder seinen spanischen noch seinen deutschen Freund dazu zwingen, den Kredit bei Fälligkeit zu prolongieren. Und während die Regierung nicht in der Lage ist, Privatbürger außerhalb ihres Hoheitsgebiets dazu zu zwingen, ihre Kredite überzurollen, ist ihr das bei Bürgern und Institutionen innerhalb ihrer Jurisdiktion möglich. Überdies kann die Regierung auf ihre traditionellen Finanziers, die Banken, subtilen Druck ausüben, die Staatsschulden zu prolongieren.
Banken und Regierungen leben in einer symbiotischen Gemeinschaft. Die Regierungen haben den Banken das Privileg des Mindestreserve-Bankensystems eingeräumt, wo nur eine kleine Reserve gehalten werden muss, und sie darüber hinaus mit impliziten und expliziten Rettungs-Garantien ausgestattet. Weitere Unterstützung kommt von der staatlich kontrollierten Zentralbank, die in Zeiten der Liquiditätsverknappung Abhilfe schaffen kann. Ferner kommt hinzu, dass die Regierungen das Bankensystem über eine Unzahl an Auflagen und Bestimmungen kontrollieren. Für das Privileg, Geld aus dem Nichts schaffen zu dürfen, nutzen die Banken im Gegenzug ihrer Finanzmacht, um Staatsanleihen aufzukaufen.
Dank dieser intensiven Beziehung zwischen Banken und Staat sowie des staatlichen Gewaltmonopols kann die japanische Regierung Druck auf ihre Banken ausüben, die ausstehenden Schulden zu prolongieren. Sie kann auch Druck auf die Banken ausüben, um sie vor abrupten Abverkäufen abzuhalten, und sie sogar dazu ermutigen, noch mehr Staatsschulden in ihre Bücher aufzunehmen. Andererseits ist es der japanischen Regierung nicht möglich, Ausländer davon abzuhalten, japanische Staatsanleihen abzuverkaufen oder zu akkumulieren. Und genau hier liegt für die Regierung auch die Gefahr der Auslandsverschuldung, so wie es sich in Spanien beobachten lässt.
Während die spanischen Banken und Investment-Fonds den Markt nicht mit spanischen Staatsanleihen fluten werden, könnte dies seitens ausländischer Institutionen durchaus der Fall sein. Die spanische Regierung kann die ausländischen Institutionen nicht davon „überzeugen“, von derartigen Maßnahmen abzusehen, da sie ihren Sitz in anderen Jurisdiktionen haben. Das Einzige, was die spanische Regierung tun kann – und was zurzeit auch von allen Südländern der Eurozone getan wird – ist, Druck auf die Politiker der anderen Länder auszuüben, damit diese wiederum Druck auf ihre eigenen Banken ausüben, die Anleihen zu halten und zu prolongieren.
Auch für die US-Regierung stellt die Auslandsverschuldung eine Gefahr da. Ausländische Banken wie die chinesische oder die japanische Zentralbank halten bedeutende Mengen an US-Staatsanleihen. Die Gefahr, ob nun glaubwürdig oder nicht, dass diese Anleihen auf den Markt geworfen werden können, dürfte Japan und China, vor allem China, gewisse politische Einflussmöglichkeiten bescheren.
Und was ist mit dem Außenhandelsdefizit?
Die Handelsbilanz – also die Differenz aus Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen – ist im Hinblick auf die Währungsstabilität und die Tragfähigkeit von Staatsschulden ebenfalls bedeutsam.
Ein Exportüberschuss legt nahe, dass ein Land ausländische Vermögenswerte anhäuft. Und wenn ausländische Vermögenswerte akkumuliert werden, neigt die Währung dazu aufzuwerten. Ausländische Vermögenswerte können in Krisenzeiten genutzt werden, um Verluste zu kompensieren. Auch hier ist Japan wieder ein gutes Beispiel. Nach dem Erdbeben im März 2011 wurden die ausländischen Vermögenswerte Japans repatriiert, um damit die Importe zu bezahlen. Die japanischen Bürger verkauften ihre Dollars und Euros, um die Schäden im Inland zu reparieren. Es bestand also überhaupt keine Notwendigkeit, Fremdwährungskredite zu erbitten, was für eine Aufwertung des Yens sorgte.
Japans Außenhandelsüberschüsse spiegeln sich dann auch in der Bilanz der japanischen Zentralbank wider. Die japanische Zentralbank hat den japanischen Exporteuren ihre ausländischen Währungen abgekauft. Diese Devisenreserven können bei Krisensituationen verwendet werden, um die Staatsverschuldung zu reduzieren oder den Wert der Währung auf dem internationalen Währungsmarkt zu verteidigen. Fakt ist, dass die Nettoverschuldung der japanischen Regierung um 20% fällt, wenn man die von der Zentralbank gehaltenen Devisenreserven von über USD 1 Billion mit hinzurechnet. Außenhandelsüberschüsse neigen also dazu, eine Währung und die Tragfähigkeit der Staatsschulden zu stärken.
Importüberschüsse sorgen hingegen für eine Nettoauslandsverschuldung. Es werden mehr Waren und Dienstleistungen eingeführt, als ausgeführt. Die Differenz wird in Form neuer Schulden beglichen. Diese Schulden werden oft in Form von Staatsanleihen gehalten. Ein Land, das jahrelang Importdefizite ausweist, neigt also eher dazu, große Mengen an Auslandschulden zu haben, die für die Regierung – wie eingangs erörtert – zur Gefahr werden könnten.
Überdies kann die Handelsbilanz auch als ein Indikator der Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft und indirekt auch als Gradmesser der Qualität der Währung herangezogen werden. Umso wettbewerbsfähiger eine Wirtschaft ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung ihre Fiatwährung stärken kann, indem sie das von dieser wettbewerbsfähigen Wirtschaft geschaffene Realvermögen enteignet und somit Staatsverschuldungsproblemen aus dem Weg geht. Und umso wettbewerbsfähiger eine Wirtschaft ist, desto weniger wahrscheinlich ist es auch, dass die Probleme der Staatsverschuldung durch die Schaffung von Geld gelöst werden.
Und während ein Außenhandelsüberschuss ein Zeichen der Wettbewerbsfähigkeit ist, kann ein Außenhandelsdefizit ein Hinweis auf einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit sein. Fakt ist, dass über viele Jahre anhaltende Außenhandelsdefizite nicht nur auf einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit hindeuten, sondern in der Regel auch mit einer anwachsenden Staatsverschuldung einhergehen, wodurch der Mangel an Wettbewerbsfähigkeit nur noch verschlimmert wird.
Wirtschaften mit hohen und unflexiblen Gehältern wie in Südeuropa können also durchaus wettbewerbsunfähig sein und einen Importüberschuss aufweisen. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit wird durch hohe Staatsausgaben aufrechterhalten, ja überhaupt erst möglich gemacht. Die Regierungen der südlichen Euroländer haben die Menschen in einem riesigen Staatssektor beschäftigt, großzügige Frühverrentungssysteme geschaffen und Arbeitslosenunterstützung offeriert, wodurch die Folgen der durch den unflexiblen Arbeitsmarkt geschaffenen Arbeitslosigkeit nur noch verschlimmert werden. Die Folgen der Regierungsausgaben sind somit nicht nur ein Mangel an Wettbewerbsfähigkeit und ein Außenhandelsdefizit, sondern es kommt auch noch ein Haushaltsdefizit der Regierung hinzu. Große Außenhandelsdefizite gehen daher oft mit Haushaltsdefiziten einher.
Die Importe der südlichen Euroländer werden über Kredite finanziert. Die Importüberschüsse können aber nicht auf immer und ewig anhalten, da dann auch die Staatsverschuldung auf immer und ewig steigen würde. Eine Situation anhaltender Importüberschüsse wie in Griechenland kann daher als ein Mangel an politischem Willen interpretiert werden, den Arbeitsmarkt zu reformieren und erneut an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Daher können anhaltende Importüberschüsse auch zu einem Abverkauf der Währung oder der Staatsanleihen führen. So gesehen stützen die deutschen Exportüberschüsse den Wert des Euros, während die Importüberschüsse der südlichen Euroländer seinen Wert wieder verwässern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine hohe Auslandsverschuldung des Staats und anhaltende Importüberschüsse Zeichen einer schwachen Währung sind. Es kann durchaus sein, dass die Regierung die Zahlungsunfähigkeit erklären oder sich mit der Druckerpresse aus den Problemen herausinflationieren muss. Eine geringe Auslandsverschuldung und anhaltende Exportüberschüsse sorgen hingegen dafür, dass die Währung gestärkt wird.