DIW-Forderungen, Zinspolitik, Von-der-Leyen-Bericht: Die Front der Enteigner formiert sich weiter
Hans Heckel, Preußische Allgemeine Zeitung, 28.09.12
Mit ihrem „Armutsbericht“ bereitet Arbeitsministerin Ursula von der Leyen weiter den Boden für Enteignungsaktionen gegen die Mittelschicht. Die „Reichen“ sind nur populistische Zielscheibe.
Vor dem Hintergrund der fast gleichzeitig veröffentlichten Studie des Bundes der Steuerzahler (BdSt) zum Ausmaß der Verschwendung öffentlicher Gelder musste der Vorstoß von Ursula von der Leyen (CDU) wie Hohn klingen. Eine der Schlussfolgerungen der Arbeitsministerin aus ihrem „Armuts- und Reichtumsbericht“ lautet: Der Staat hat zu wenig Geld, wohlhabende Privatleute haben dagegen zu viel. Daher müsse nach Wegen gesucht werden, wie das Geld der Privaten für öffentliche Aufgaben besser „herangezogen“ werden könne.
In seinem 40. Schwarzbuch listet der BdSt mehr als 100 Fälle hanebüchener Verschwendung von Steuergeld durch den Staat auf. Mit dabei sind bundesweit bekannte Skandale wie der um den Berliner Flughafen, die Hamburger Elbphilharmonie oder den Nürburgring.
Ebenfalls kam dieser Tage heraus, dass im August der erwartete Rekord an Steuereinnahmen abermals übertroffen wurde, die öffentliche Hand aber trotzdem noch immer nicht ohne neue Schulden auskommt. Die Staatsquote beträgt in Deutschland 47 Prozent. Heißt: Fast jeder zweite Euro, der in der Bundesrepublik erwirtschaftet wird, geht an öffentliche Hände. 1960 waren es bloß 33 Prozent. In der Schweiz liegt der Satz noch heute in diesem Bereich.
All das passt kaum in von der Leyens Schreckensgemälde von einem darbenden Staat, dem die reichen Privatleute das nötige Geld verweigern. Vielmehr atmet der Bericht den Odem blanken Sozialneids. Der sozialneidische Unterton in Ursula von der Leyens „Armuts- und Reichtumsbericht“ fiel aufmerksamen Beobachtern sofort auf. Der Bericht reihte sich nahtlos an den Vorschlag des linksgerichteten „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ (DIW) vom Sommer dieses Jahres. Das DIW hatte gefordert, Vermögen ab einem Betrag von 250000 Euro pro Person mit einer Zwangsabgabe zu belegen, die als „Anleihe“ getarnt werden solle.
Von der Leyen beklagt in dem Bericht, dass 53 Prozent des deutschen Privatvermögens in den Händen von bloß zehn Prozent der Haushalte lägen. Die untere Hälfte verfüge gerade einmal über ein Prozent des Vermögens.
Über die dazwischen liegende Mittelschicht verliert der Bericht kein Wort. Auch nicht über die Verteilung der Steuerlast: So tragen die oberen 25 Prozent der Einkommensempfänger knapp 77 Prozent des Einkommensteueraufkommens, die unteren 25 Prozent nur 0,2 Prozent, die untere Hälfte 5,5 Prozent. Danach ist eine starke Sonderbelastung der Besserverdiener längst Realität.
Zudem gebraucht der Bericht einen Vermögensbegriff, der in der Realität in die Irre führt. So werden Immobilien-, Geld oder Aktieneigentum als Vermögen gerechnet, nicht aber gesetzliche Rentenansprüche. Ein Selbstständiger, der nicht in die gesetzliche Rentenkasse einzahlt, muss privat an Altersversorgung ansparen, was ein Angestellter über seine gesetzliche Rentenversicherung erwirbt. So entsteht beim Selbstständigen „Vermögen“, während dem Angestellten Anwartschaften entstehen, die nicht zu seinem Privatvermögen hinzugerechnet werden. Über das zur Altersversorgung zurückgelegte „Vermögen“ kann der Selbstständige aber kaum frei verfügen, will er als Senior nicht zum Sozialfall werden. Würde für gesetzliche Rentenanwartschaften ein Kapitalstock errechnet, wie er für private Betriebs- oder Riesterrenten ausgewiesen wird, so ergäbe sich eine weit ausgewogenere Verteilung des „Reichtums“, als der Leyen-Bericht es unterstellt.
Die eigentliche Stoßrichtung des „Armuts- und Reichtumsberichts“ zielt darauf, Stimmung zu machen für eine Teilenteignung privaten Besitzes zugunsten des Staates. Dabei ist den Verantwortlichen bewusst, dass sie mit der „Heranziehung“ wirklich großer Vermögen kaum weit kommen würden. Ein Großteil jener Vermögen nämlich ist entweder Firmenvermögen, dessen „Heranziehung“ schwere volkswirtschaftliche Schäden nach sich zöge und vor allem die „armen“ Beschäftigten träfe. Oder es es handelt sich um hochmobile Vermögenswerte wie große Aktienpakete, die schnell außer Landes zu bringen wären. Diese Erfahrung macht gerade das sozialistische Frankreich. Dort verlassen Gutbetuchte nach den klassenkämpferischen Ansagen der Regierung von François Hollande gerade in Scharen das Land. Mit ihrem Vermögen tragen sie auch ihre Kauf- und Steuerkraft davon, die nun in Frankreich fehlen – zum Schaden aller. Das Debakel hätte der Präsident voraussehen können: Schon sein Parteigenosse und Vorgänger François Mitterand versuchte Anfang der 1980er Jahre, die ganz großen Privatvermögen abzuräumen. Das Ergebnis war ein nationales Desaster. Mitterands Weggefährte Jacques Attali gab damals resigniert zu, dass die „Reichen“ leider die mobilste Bevölkerungsgruppe von allen seien.
Es ist kaum anzunehmen, dass Ursula von der Leyen oder Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dessen Haus die Enteignungsphantasien des DIW öffentlich als „interessant“ bezeichnete (die PAZ berichtete), die französischen Fehler wiederholen wollen. Daher ist davon auszugehen, dass die „Reichen“ lediglich als Zielscheibe ausgegeben werden, um den Boden zu bereiten für etwas weit Einträglicheres: Die höhere Belastung der Mittelschicht, der es kaum möglich ist, sich und ihr Geld über die Grenze in Sicherheit zu bringen.
Jener Mittelschicht droht noch eine zusätzliche Gefahr. Anders als die Oberschicht, die ihr Vermögen weitgehend in Sachwerten (wie etwa Aktien oder Gold) aufbewahrt und Geld nur zu Transaktionszwecken benutzt, ist Geld für die Mittelschicht (neben dem Eigenheim) auch das Hauptaufbewahrungsmittel fürs Ersparte. Doch mittels Zinsen, die durch staatliche Manipulation unter das Inflationsniveau gedrückt wurden, geht die Mittelschicht einer schleichenden Enteignung entgegen. Nutznießer sind unter anderem der Staat und große Finanzinstitute, die auf diesem Wege ihre Schulden auf Kosten der Mittelschicht entwerten.