Japans Handels-Fiasko weist steil in die Tiefe. August war der schlimmste August aller Zeiten, Juli war der schlimmste Juli aller Zeiten und Juni war der schlimmste Juni aller Zeiten … Eine Trendwende ist nicht in Sicht

Wolf Richter, Testosteronepit.com, 19.09.2013

Der Handel ist einer der Aspekte, den man im Rahmen von „Abenomics“ als außerordentlich bedeutsam eingestuft hat. Daher hat sich die Bank von Japan auch daran gemacht, ein radikales Gelddruckprogramm einzuleiten, um den Yen zu entwerten und die Exporte so wettbewerbsfähiger zu machen.

Das sind die Prinzipien eines Währungskriegs. Die Importe würden dadurch so teuer, dass die Käufer damit beginnen würden, nach inländischen Alternativen zu suchen. Der daraus resultierende Überschuss würde Japan retten. Soweit die Theorie. In der Realität findet derzeit aber das genaue Gegenteil statt.

Die Exporte sind im August im Jahresvergleich um 14,7% gestiegen, wie das japanische Finanzministerium meldete. Aber der Rest war hässlich. Die Exporte werden in Yen ausgepreist, aber der Yen hat innerhalb der letzten zwölf Monate 20% an Wert verloren. Und das heißt, dass die Exportvolumina der meisten Branchen in Wirklichkeit rückläufig gewesen sind. Aber die Importe schossen, ausgehend von einem hohen Niveau, um 16% in die Höhe und das Außenhandelsdefizit explodierte um 25% auf JPY 960,3 Milliarden (USD 9,6 Milliarden). Die Analysten waren schockiert.

Es war das schlimmste August-Außenhandelsdefizit aller Zeiten. Es war der 14. Monat in Folge, in dem ein Außenhandelsdefizit verzeichnet wurde. Das letzte Mal, als solch eine Serie beobachtet werden konnte, war während der Jahre 1979 und 1980. Es lag 27% über dem Außenhandelsdefizit von August 2012. Und zum Vergleich: Im August 2010 hatte Japan einen Überschuss von JPY 63,8 Milliarden; im August 2009 lag der Überschuss bei JPY 165 Milliarden und im August 2007 bei JPY 784,6 Milliarden!

Für den Zeitraum von Januar bis August liegt das Außenhandelsdefizit bereits auf einem Rekordniveau von JPY 6,8 Billionen – das ist ein 66%iger Anstieg gegenüber den ersten acht Monaten des Jahres 2012 und ein 332%iger Anstieg gegenüber 2011. 2010 hatte Japan während der ersten acht Monate noch ein Handelsüberschuss von JPY 4,2 Billionen!

Japans Handels-Fiasko weist steil in die Tiefe. August war der schlimmste August aller Zeiten, Juli war der schlimmste Juli aller Zeiten und Juni war der schlimmste Juni aller Zeiten … Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Die Grafik zeigt, wie sich die monatlichen Außenhandelsdefizite des Jahres 2013 gegenüber den entsprechenden Vorjahreszeiträumen verschlechtert haben und wie sich die Außenhandelsdefizite des Jahres 2012 gegenüber 2011 verschlechterten:

Japan-Trade-Balance-2011-2012-2013

Japan und China hatten mit ihren Säbeln gerasselt, als es um Insel-Streitigkeiten und historische Konflikte ging. Aber China ist Japans größter Handelspartner: Im August gingen 25% aller japanischen Exporte nach China, während 21% aller Importe von dort kamen. Und ein bedeutender Teil der japanischen Ausfuhren, der nach China geht, wird über Hongkong eingeführt, was heißt, dass wir China und Hongkong zusammenfassen müssen.

Zusammengenommen sind die Exporte nach China und Hongkong um 16,8% auf JPY 1,45 Billionen gestiegen – während die zusammengefassten Importe um 17,7% auf JPY 1,43 Billionen zulegen konnte, wodurch Japan hier auf einen kleinen Handelsüberschuss von JPY 11,8 Milliarden (USD 118 Millionen) kommt. Das ist nichts im Vergleich zu früher, wo Japan eines der wenigen großen Länder war, die gegenüber China nennenswerte Außenhandelsüberschüsse vorweisen konnten – im August 2007 lag er beispielsweise bei JPY 226 Milliarden.

Positiv ist, dass sich die Exporte nach Europa von ihren düsteren Schuldenkrisen-Niveaus wieder erholt haben und das Außenhandelsdefizit so auf JPY 97,7 Milliarden abgesenkt werden konnte. Und Japans chronisches Außenhandelsdefizit gegenüber den USA – seinem zweitgrößten Handelspartner – ist um 29,3% auf JPY 495 Milliarden in die Höhe geschossen.

Es wird behauptet, dass Japans Handels-Debakel nur vorübergehender Natur sei. Wenn Japan nur all seine klapprigen Atomkraftwerke wieder anwerfen könnte – ganz egal, ob sie nun direkt auf Erdbebenlinien stehen oder es bei ihnen zuvor Sicherheitsskandale gab –, dann müsste es mit seinem beschädigten Yen nicht so viel überteuertes Erdgas und Rohöl kaufen, um die von den Atomkraftwerken aufgerissenen Versorgungslücken zu schließen. Und schon wäre Japans Außenhandelsdefizit mit einem Schlag erledigt.

Flüssiggas (das derzeit 42% des Energiemix stellt) und Rohöl (18% des Energiemix) sind tatsächlich Faktoren. Die Importe von Flüssiggas stiegen um 7,2% und die von Rohöl um 27,2% – aber aufgrund der Preisanstiege und der Yen-Entwertung, nicht etwa aufgrund steigender Importmengen.

Überhaupt sind die Importe in allen Bereichen in die Höhe geschossen

Die Importe von Industriegütern (wie Eisen und Stahlprodukte) legten um 16,2% zu, die Einfuhren von Maschinen um 21,7% und in der Unterkategorie „Computer“ lag der Zuwachs bei 18,5%. Die Importe von elektronischen Maschinen, die drittgrößte Kategorie, schossen um 21,9% in die Höhe und ihre größte Unterkategorie „Halbleiter“ um 44,1%. Transport-Equipment lag mit 22,7% im Plus. Und „Anderes“ – die zweitgrößte Kategorie – lag mit 12,4% im Plus, und die Importzuwächse bei den Unterkategorien „wissenschaftliche Instrumente“, Bekleidung und Möbel lagen bei 12,4% bzw. 21,4% und 20,4%.

Es ist ein düsteres Bild. Es zeigt die systematische Deindustrialisierung Japans, die nun bereits seit Jahren anhält, obwohl die Japaner damit immer noch hinter den USA liegen. In den letzten Jahren, genauer gesagt seit dem Erdbeben von 2011, hat dieser Prozess noch an Fahrt zugenommen. Japan verlagert seine Produktion nach China und in andere Länder, wo die Gehälter niedriger sind, obwohl sie auch dort steigen. Aber die japanischen Unternehmen haben auch noch eine andere Motivation: Sie sind so näher an ihren Kunden im größten Markt des Planeten.

Ein entwerteter Yen wird daran nichts ändern. Und ironischerweise schafft Japan damit sogar noch Anreize, die Güter, die im Ausland verkauft werden, auch im Ausland zu produzieren. Die Einnahmen und Gewinne werden im Anschluss in den schwächeren Yen umgerechnet, wodurch am Ende glänzende Zahlen herauskommen – wie die jüngsten Umsatzmeldungen gezeigt haben. Diese Papiergewinne existieren aber nur in japanischen Geschäftsberichten. Der überwiegende Teil der tatsächlichen Profite wird wieder im Ausland investiert und findet nie wieder nach Japan zurück. Das ist einer der Aspekte, die Abenomics auszeichnet.

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