Wolf Richter, Testosteronepit.com, 21.10.2013

Der Handel ist einer der wichtigen Elemente von Abenomics. Durch die Entwertung des Yens würden die Exporte angeheizt und die Importe zurückgefahren. Mit dem daraus resultierenden Haushaltsüberschuss würde die japanische Wirtschaft angekurbelt. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall – und es geschieht nicht etwa sukzessive mit kleinen Aufs und Abs so wie in den USA, wo es sich über Jahrzehnte hingezogen hat, sondern schnell und mit brutaler Erbarmungslosigkeit.

Und es sind auch nicht die Energieimporte, die das Handelsdefizit anheizen – diese sind in Wirklichkeit sogar zurückgegangen! Das Außenhandelsdefizit geht auf einen fundamentalen Wandel zurück, der weder für Japans Wirtschaft noch für die neue Religion namens Abenomics etwas Gutes verheißt.

Die Exporte sind im September dieses Jahres gegenüber dem Vorjahresmonat um 11,5% gestiegen, so das japanische Finanzministerium. Das enttäuschte die Träumer. Angesichts der Tatsache, dass der Yen während dieser zwölf Monate rund 20% an Wert verloren hat, ist das Exportvolumen real also zurückgegangen. Dafür sind aber die Importe mit 16,5% in die Höhe geschossen. Das Außenhandelsdefizit lag im September bei JPY 932,1 Milliarden (USD 9,5 Milliarden).

Es war das schlimmste September-Außenhandelsdefizit aller Zeiten. Damit setzt sich der Trend fort: August war der schlimmste August aller Zeiten, Juli der schlimmste Juli aller Zeiten, Juni der schlimmste Juni aller Zeiten, Mai der schlimmste Mai aller Zeiten. Und so weiter! Es ist ein Trend, der sich kontinuierlich verschlechtert hat. Und zwar mit schwindelerregender Rate.

September war der 15. Monat in Folge, wo Japan ein Außenhandelsdefizit zu verzeichnen hatte. Das ist die schlimmste Phase seit Beginn der Aufzeichnungen, sogar noch schlimmer als die 14-Monats-Serie von 1979 bis 1980. Und gibt derzeit keinerlei Hinweise, die auf eine Trendwende hindeuten würden.

Das September-Außenhandelsdefizit lag 66,7% über dem des Vorjahresmonats. Zum Vergleich: Im September 2011 wiesen die Japaner noch einen Handelsüberschuss von JPY 300 Milliarden aus und im September 2010 lag er bei JPY 784 Milliarden. Massive September-Außenhandelsüberschüsse waren die Norm.

In den ersten 9 Monaten dieses Jahres ist das Handelsdefizit gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 66% auf JPY 7,74 Billionen gestiegen. Gegenüber 2011 hat sich das Defizit mehr als versechsfacht. 2010 wiesen die Japaner noch einen Außenhandelsüberschuss von JPY 4,9 Billionen aus. Es ist ein unbarmherziger, atemberaubender Niedergang.

In der nachfolgenden Grafik sehen Sie, wie sich die monatlichen Außenhandelsdefizite gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten drastisch verschlechtert haben:

Japan-Trade-Balance-2011-2012-2013

Gegenüber den USA weisen die Japaner einen Handelsüberschuss aus, da die japanische Regierung verschiedene US-Importe blockiert. Beispielsweise ist der japanische Automarkt von Massenmarkt-Importen hermetisch abgeriegelt, und bisher war keine Regierung gewillt, daran etwas zu ändern. So stieg der Handelsüberschuss gegenüber den USA um 25% auf JPY 533 Milliarden.

China und Japan zanken sich zwar gerne, aber sie treiben auch miteinander Handel. Fast ein Viertel der japanischen Exporte landet in China und fast ein Viertel seiner Importe kommt aus China. Keines der beiden Länder kann es sich leisten, dass das politische Säbelrassen dem bilateralen Handel in die Quere kommt. Das würde beide Wirtschaften zu Boden reißen.

Der Handel mit China ist auch etwas undurchsichtig, da ein Großteil der Exporte nach China über Hongkong geht. Man muss China und Hongkong also zusammenfassen. Die Exporte in diese beiden Gebiete stiegen um 12,6% auf JPY 1,41 Billionen – der Zuwachs fiel also geringer aus als die Entwertung des Yens, was heißt, das die Exportvolumina real zurückgingen. Die Importe aus Hongkong und China explodierten unterdessen aber um 31% auf JPY 1,69 Billionen, so dass dabei am Ende ein Defizit von JPY 287 Milliarden herauskam. Japan war eines der wenigen Länder, die gegenüber China einen Handelsüberschuss hatten. Das war in den guten alten Zeiten vor der Finanzkrise.

Die Öl-, Erdgas- und Kohle-Importe sind für das Anschwellen des Handelsdefizits aber nicht verantwortlich

Die Importe von natürlichen Energieträgern gingen im September um 1% zurück. Das ist die einzige Importkategorie, bei der es zu einem Rückgang kam! Alle anderen Importkategorien stiegen im zweistelligen Prozentbereich. Hierzu gehören: Industriegüter (+22,2%), Maschinen (+37,9%), Elektrotechnik (+46,6%, darunter Halbleiter mit +59%).

Japan galt in den Bereichen „Maschinen“ und „Elektrotechnik“ als Macht. Die Halbleiterbranche war eine der Branchen, in der die Japaner Weltspitze waren. Die gesamte Branche wird in Japan derzeit aber heruntergefahren, da die Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagert haben und sich ausländische Mitbewerber Marktanteile sichern konnten.

Die klassischen Gründe, warum man die Produktion selbst komplexer Güter ins Ausland verlagert – billige Arbeit und eine größere Nähe zum Endverbraucher –, haben über viele Jahre hinweg eine Rolle gespielt. Aber seit dem Erdbeben vom März 2011, als die Firmen mit Zulieferketten, Stromausfällen, Transportproblemen und anderen Herausforderungen zu kämpfen hatten, hat dieser Trend richtig an Fahrt aufgenommen. Und diese Probleme könnten beim nächsten Erdbeben umgehend wieder auftauchen. Und das hat dafür gesorgt, dass die japanischen Unternehmen jetzt kontinuierlich im Ausland investieren, anstatt in Japan.

Und die Abwertung des Yens hat an dieser Gleichung auch nichts geändert. Die Importe werden dadurch teurer und das Außenhandelsdefizit schlimmer. Aber wenigstens trägt die Abwertung der japanischen Währung zu den Geschäftsberichten der japanischen Unternehmen bei, da die im Ausland erwirtschafteten Umsätze und Gewinne in entwerteten Yens ausgewiesen werden. Diese Gelder fließen aber nicht nach Japan zurück, was heißt, dass die japanische Wirtschaft nicht davon profitieren kann.

Gegenwärtig gibt es wirklich keinerlei Hinweise, die nahelegen würden, dass sich diese Abwanderung von Geld und Produktion in ferne Länder jemals wieder verlangsamen oder gar umkehren könnte. Die Realwirtschaft blutet aus, während die Geldpolitik und die monströsen staatlichen Haushaltsdefizite zusätzlich noch süchtig machende und letztlich giftige Drogen ins System pumpen. Keine sonderlich gute Kombination.

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