Santiago Nino Becerra, La Carta de la Bolsa, 03.11.2013

Im Folgenden finden Sie die Makrozahlen, die die spanische Regierung am 26.04.2013 an Brüssel übermittelte, als sie die EU um einen zweijährigen Aufschub für die Erreichung des wundersamen 3%-Defizitziels bat. Schauen Sie sich die Zahlen genau an – wie sich das schwache Wirtschaftswachstum auf wundersame Art beschleunigt, nachdem das Defizitziel erreicht wird; wie die eskalierende Staatsverschuldung überraschend zurückgeht, nachdem das Defizit unter 3% gefallen ist; wie die aktuell zügellose Arbeitslosenrate auf wundersame Art beginnt, sich genau zu dem Zeitpunkt zu erholen, wo das Defizitziel erreicht wird.

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Die Veröffentlichung dieser Zahlen wurde, wie Sie sich sicherlich erinnern werden, von Reden verschiedener spanischer Regierungsvertreter begleitet, die zu jener Zeit darauf hinwiesen, dass die spanische Wirtschaft an einem bedeutenden Scheideweg angelangt sei. Und damit die Botschaft auch richtig ankam, wurden diese Reden vom spanischen Premierminister Rajoy und dem spanischen Wirtschaftsminister De Guindos gehalten. Brüssel nickte die Zahlen ab und gewährte Spanien den erbetenen zweijährigen Aufschub, um das Defizitziel von 3% des BIP zu erreichen.

Vor ein paar Wochen, am 17.10.2013, übermittelte die spanische Regierung eine aktualisierte Version der Makrozahlen vom April nach Brüssel, nur das die Prognosen dieses Mal lediglich bis ins Jahr 2016 reichten. Und diesem revidierten Chart fehlen dann in der Tat auch all die Wunder, die nach 2016 eintreten sollen.

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Der Hauptunterschied zwischen der alten und der neuen Übersicht ist, dass jetzt von ein klein wenig mehr Wachstum und einem erheblich stärkeren Schuldenanstieg ausgegangen wird. Darüber hinaus finden sich in der neuen Tabelle keine Arbeitslosenzahlen mehr oder zumindest wurden diese nicht veröffentlicht. An der Einhaltung des Defizitziels hält man unterdessen natürlich penibel fest.

Wie Sie sehen, sind die Zahlen einfach nur traurig und schwach, und sie beinhalten immer noch das absurde Versprechen, dass man sich an das Defizitziel halten würde, was nach meinem Dafürhalten unmöglich erreicht werden kann, außer der Bevölkerung wird eine bedeutend höhere Dosis Leid zugemutet: Eine atemberaubende Absenkung des Haushaltsdefizits von -4,2% auf -2,8%.

Diese Zahlen wurden von Brüssel natürlich ebenfalls akzeptiert. Und das ist dann auch genau der Punkt, wo wir Lachkrämpfe bekommen.

Seltsamerweise sind alle Diskussionen über die oben stehenden Zahlen und den Haushalt des Jahres 2014 verstummt. Basierend auf mageren 0,1% an Wirtschaftswachstum, die von der Bank von Spanien für das 3. Quartal dieses Jahres errechnet wurden, und dem jüngsten Rückgang der spanischen Arbeitslosenrate (der saisonal bereinigt überhaupt nicht stattfand) sind die spanische Regierung und andere Institutionen nach vorne gestürmt, um das Ende der Rezession zu verkünden und zu erklären, dass die spanische Wirtschaft nun Licht am Ende des Tunnels sieht und ausländische Anleger wie Bill Gates jetzt wieder Interesse an Spanien haben. Was ist geschehen?

Wie kann es angesichts der Makrozahlen Spaniens und eines Budget, bei dem zu Grunde gelegt wird, dass 2014 30% der spanischen Ausgaben zur Tilgung von Zinsen aufgewandt werden, sein, dass wir plötzlich mit all den wundervollen Meldungen über Spaniens aktuelle Wirtschaftslage bombardiert werden und uns erklärt wird, dass Spanien nun doch nicht mehr am Scheideweg steht, sondern sich eine blühende Zukunft abzeichnet? Nun, ich glaube, dass einige Dinge geschehen sind:

1. Die Öffentlichkeit möchte positive Dinge hören und ist schlechte Meldungen leid. Und wenn die Öffentlichkeit gute Meldungen haben will, ja dann bekommt sich halt welche. Völlig egal, was morgen passiert. Morgen, wenn sich die Wirklichkeit einstellt und das Wachstum abermals so stark zurechtgestutzt wird, dass sich noch nicht einmal der Schuldendienst leisten lässt, werden der Öffentlichkeit einfach andere Geschichten aufgetischt.

2. Die Termine haben sich geändert. Das aktuelle Datum ist Ende November 2014. Das ist der Zeitpunkt, wo die Europäische Zentralbank die Erkenntnisse ihrer großangelegten Überprüfung der größten 126 Eurozonen-Banken veröffentlichen soll (16 von ihnen sind spanische Banken) und die Ergebnisse verschiedener Tests vorliegen sollen, die die Europäische Bankenaufsicht (EBA) bei diesen Banken durchgeführt hat. Bis dahin soll es überall ruhig bleiben, speziell in Spanien. Sicher, nach dem kommenden Sommer dürften ein paar Sachen durchsickern, um die Menschen auf das Kommende vorzubereiten, aber das wird erst dann sein. Bis auf Weiteres sollte es uns jedenfalls nicht überraschen, wenn wir Sachen wie „Spanien geht es gut“ zu hören bekommen.

3. Die Spaltung zwischen dem Volk und ihren gewählten Vertretern ist jetzt perfekt. Die Regierung erzählt ihre ganz eigenen Geschichten, während die Menschen eine völlig andere Realität wahrnehmen. Und das zählt auch nicht. Was zählt, ist, über die Runden zu kommen. Und wenn die Regierung, um über die Runden zu kommen, erklären muss, dass die Dinge, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat, anders gemeint waren, dann ist es halt so.

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