Anstatt sich über Zinserhöhungen den Kopf zu zerbrechen, sollten sich die Edelmetallanleger auf den nächsten Zinserhöhungszyklus freuen. Das ist nämlich genau die Phase, wo es bei Gold und Silber zu den größten Zugewinnen kommen wird

Stefan Gleason, Money Metals Exchange, 16.10.2014

Es wird damit gerechnet, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihr Anleiheaufkaufprogramm, das unter dem Namen quantitative Lockerung (QE) bekannt ist, auslaufen lassen wird. Aber was hat das Ende dieses USD 4 Billionen schweren Debakels für die Edelmetallmärkte zu bedeuten?

Die Antwort: Nicht viel.

Das soll nun nicht heißen, dass sich der Goldpreis und der Silberpreis nach dem Ende der QE-Maßnahmen nicht bewegen werden, sondern es soll heißen, dass die weithin bestehende Auffassung, dass die Lockerungsmaßnahmen enden, bereits in den Märkten eingepreist ist.

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Der US-Dollar-Index legte von Juli bis September eine drastische Rally hin – was zum Teil auf die Schwäche des Euros zurückging und auf die steigenden Erwartungen der Anleger, dass die Wirtschaftsdaten weiterhin gut genug bleiben, um es der Fed zu erlauben, ihr Anleiheaufkaufprogramm zurückzufahren. Die nominelle Stärke des US-Dollars hat bei den Edelmetallen für Abwärtsdruck gesorgt. Gold fiel erheblich und Silber brach sogar noch heftiger ein.

Die Edelmetalle entwickeln sich oft entgegen der Markterwartung

Interessant ist, uns hier noch einmal in Erinnerung zu rufen, was geschah, als im September 2012 der aktuelle Zyklus der quantitativen Lockerung – offiziell QE3 genannt – verkündet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt gingen zahlreiche Analysten davon aus, dass QE3 bei Gold und Silber umgehend zu Preisanstiegen führen würde. Aber das genaue Gegenteil trat ein: Nach der QE-Ankündigung fielen die Edelmetallmärkte erst einmal für mehrere Monate.

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Heute rechnet praktisch niemand damit, dass das Ende der Lockerungsmaßnahmen für Gold und Silber bullisch sein könnte. Fakt ist, dass das spekulative Interesse bei Gold und Silber derzeit auf mehrjährigen Tiefs notiert. Im Silbermarkt halten die Hedge-Fonds aktuell so wenige Long-Positionen wie noch nie.

Das Ende der Lockerungsmaßnahmen der Fed wird bestimmt nicht dafür sorgen, dass die Spekulationsgelder im Hinblick auf Gold und Silber noch bärischer werden, als es bereits heute der Fall ist. Diese Anlegergruppe hat sich bereits auf eine solche Erklärung vorbereitet. Wenn das Ende von QE ausgerufen wird, könnte es für die Edelmetalle durchaus zum Nicht-Ereignis werden.

Zur selben Zeit könnte dadurch auch eine Revolte gegen US-Aktien und die Anleihemärkte entfacht werden, die bisher in einer steigenden Flut aus Fed-Liquidität nach oben getrieben worden sind. Als die vorangegangenen QE-Programme ausliefen, hat das bei den Aktienmärkten zu bedeutenden Korrekturen geführt.

Wenn die Fed die Zinsen anhebt, wird sie wohl der Inflation hinterherjagen

Natürlich hat die Fed nicht vor, die über USD 4 Billionen an Anleihen, die sie eingesammelt hat und die nun in ihrer Bilanz stehen, umgehend wieder auf den Markt zu werfen. Und sie hat sich auch noch nicht dazu entschlossen, den Leitzins zu erhöhen, obwohl im Markt weithin davon ausgegangen wird, dass das bis Mitte 2015 passieren wird.

Die Fed-Vorsitzende Janet Yellen sagte jüngst:

„Der richtige Weg bei der Geldpolitik, das Timing und die Geschwindigkeit bei der Anhebung der Zinssätze sollten – und ich glaube, das werden sie auch – eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Entwicklungen sein. Sollten sie schneller vonstattengehen, als der Ausschuss annimmt, wäre es logisch, auch mit einem schnelleren Anstieg des Leitzinses zu rechnen. Das gilt aber auch für die gegenteilige Entwicklung.“

Mit anderen Worten: Sollten sich die Wirtschaftsdaten – speziell die Daten zur US-Beschäftigung – plötzlich eintrüben, könnte die Fed von ihrem Vorhaben, die Zinsen zu erhöhen, zunächst erst einmal ablassen oder sogar ein weiteres Belebungsprogramm auflegen. Yellen hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Belebung des Beschäftigungswachstums nach ihrem Dafürhalten wichtiger ist als der Kampf gegen die Inflation.

Und das heißt, dass es durchaus sein könnte, dass die US-Notenbank erst dann Zinserhöhungen einleiten wird, nachdem die Inflation bereits damit angefangen hat, außer Kontrolle zu geraten. Laut einer Erhebung des Wall Street Journal, bei der 30 Ökonomen befragt wurden, gehen 27 der 30 Ökonomen davon aus, dass die US-Notenbank mit einer Anhebung der Zinsen eher zu lange warten wird, als sie zu früh durchzuführen.

Wir können davon ausgehen, dass die Finanzmedien in den kommenden Monaten unaufhörlich darüber spekulieren werden, was die nächsten Schritte der US-Notenbank sein werden und wann sie kommen könnten. Disziplinierte Edelmetallinvestoren sollten das Gerede rund um die Fed aber einfach ignorieren und sich stattdessen darauf konzentrieren, was mit den Realzinsen passiert.

Die Fed hat keine direkte Kontrolle darüber, ob die langlaufenden oder selbst die kurzlaufenden realen Zinssätze positiv oder negativ sind. Negative Realzinsen – damit sind Zinssätze gemeint, die unter der Inflationsrate liegen – sind im Allgemeinen bullisch für Gold und Silber. Negative Realzinsen können über längere Zeiträume hinweg anhalten oder sogar noch weiter in den negativen Bereich abrutschen, auch wenn die Fed unterdessen die kurzlaufenden Zinssätze anhebt.

Das geschah zum Beispiel während des großen Edelmetallbullenmarkts Ende der 70er Jahre. Die US-Notenbank war immer einen Schritt zu spät und jagte den Ereignissen mit ihren Zinserhöhungen hinterher, während die Inflation immer weiter in die Höhe schoss.

Die Zeit für Gold- und Silberzukäufe ist weiterhin günstig

Es herrscht das weitverbreitete Missverständnis vor, dass allein Zinssenkungen oder weitere QE-Maßnahmen bullisch für Gold und Silber sind. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn ein steigender Inflationsdruck die US-Notenbank dazu zwingt, die Zinsen zu erhöhen, wäre das für Gold und für Silber potenziell eine ziemlich bullische Entwicklung.

Anstatt sich über Zinserhöhungen den Kopf zu zerbrechen, sollten sich die Edelmetallanleger auf den nächsten Zinserhöhungszyklus freuen. Das ist nämlich genau die Phase, wo es bei Gold und Silber zu den größten Zugewinnen kommen wird.

Ja sicher, an irgendeinem Punkt werden die Realzinsen vielleicht wieder in den positiven Bereich vorstoßen und dann könnten die Preisanstiege bei Gold und Silber vielleicht auch übertrieben sein. Aber aktuell existieren diese beiden Faktoren nicht.

Cleveren Anlegern bietet sich gegenwärtig immer noch eine gute Phase, physische Edelmetalle anzuhäufen, während die Masse der Anleger und Sparer Edelmetallen keine Aufmerksamkeit zollt, die Aufpreise für Barren und Münzen gering sind und der Kassapreis weit unter den Hochs liegt, die vor drei Jahren verzeichnet wurden.

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