Jim Kelly, Global Governance Watch, 28.04.2010

“Im Besonderen lancieren wir die Idee eines neuen multilateralen Überwachungsverfahrens…Ich glaube die Welt ist bereit für einen Wechsel hin zu einer ´systematischeren` Vision der Überwachung durch den IWF. Ein deutliches Zeichen ist der Start des ´Mutual Assessment Process` durch die G20. Das sogenannte MAP zielt darauf ab die Risiken des Systems zu reduzieren, indem die größten Weltwirtschaften einander gegenüber rechenschaftspflichtig gemacht werden um die weltweite Einheitlichkeit ihrer Wirtschaftspolitik zu gewährleisten…Natürlich gibt es eine Reihe viel weitreichenderer Herausforderungen als die, welche gerade durch das MAP Berücksichtigung finden und ein verbesserter multilateraler Ansatz mit einer erhöhten Rechenschaftspflicht unter den Ländern ist entscheidend um dauerhafte Lösungen zu finden. Ich verstehe die Rolle des IWF so, dass er beim Herangehen an diese Art der multilateralen Probleme hilft.“ – Dominique Strauss-Kahn, geschäftsführender Direktor des IWF am 26.02.2010 auf dem jährlichen Treffen des Bretton Woods Ausschusses.

Die Gruppe der 20 Länder (G20), das neue Forum für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) machen an zwei Fronten Fortschritte: Bei der Überwachung und Überprüfung nationaler und regionaler Wirtschaftspläne um die Weltwirtschaftsregierung zu vereinfachen und bei der Verfolgung einer regulatorischen Reformagenda der Finanzbranche. Die jüngsten Anmerkungen des geschäftsführenden Direktors des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, deuten darauf hin, dass diese beiden Bereiche nur der Anfang sein könnten und Maßnahmen eingeleitet werden um andere Wirtschafts- und spezielle Industriebereiche global zu regieren, die nach Meinung internationaler Wirtschafts- und Menschenrechtsexperten ein Risiko für die Stabilität der Weltwirtschaft darstellen. Daher sollten Konzernchefs, Angestellte, Aktienbesitzer und andere Anteilseigner in diesen Branchen, wie der Energie-, Pharma- und Nahrungsmittelbranche – deren Produkte oder der Mangel ihrer Produkte „Risiken“ darstellen, welche einen möglichen Beitrag zur weltweiten Armut leisten können – auf eine neue globale Ebene der Kontrolle, Intervention und Regulierung durch die G20, die Weltbank und andere Organisationen vorbereitet sein.

In einem vorangegangenen Artikel beschrieb ich ein im November 2009 veröffentlichtes Kommuniqué mit dem Titel „Ein Rahmenwerk für nachhaltiges und ausgeglichenes Wachstum: Entwicklung des ´Gemeinsamen Bewertungsprozesses´“, in welchem die G20 den gemeinsamen Bewertungsprozess [Mutual Assessment Process, MAP] bekanntgab, unter dem die G20 Mitglieder bis Januar 2010 nationale und regionale Wirtschaftspläne an das Forum für Finanzstabilität (FSB) und den IWF übermitteln würden, damit alternative politische Optionen entwickelt werden könnten, die eine globale Verwaltung der nationalen und regionalen Wirtschaften ermöglichen.

Während der letzen sechs Monate haben sich die Finanzminister und Chefs der Zentralbanken der G20-Länder (die „G20-Vertreter“) mit Unterstützung der Weltbank und des IWF am MAP beteiligt, indem sie ihre nationalen und regionalen Strategien, Rahmenkonzepte, Programme und Prognosen miteinander austauschten; ihre kollektive Übereinstimmung mit den Zielen der G20 abglichen; und eine vorausblickende Einschätzung der Perspektiven der Weltwirtschaft erstellten. Auf ihrem Treffen im April 2010 in Washington D. C. stimmten die G20-Vertreter Prinzipien zu, die das FSB und den IWF bei ihrer Entwicklung alternativer wirtschaftspolitischer Szenarien leiten soll, so dass eine erste Reihe weltweit abgestimmter wirtschaftspolitischer Möglichkeiten auf dem Treffen im Juni durch die G20-Führer berücksichtigt werden können.

Unterdessen ist an der regulatorischen Reformfront der Finanzwirtsschaft im April 2009 eine Erklärung mit dem Titel „Stärkung des Finanzsystems“ erlassen worden, worin die G20 das FSB anweist „Probleme des Finanzsystems zu identifizieren und Maßnahmen zu überprüfen um diese anzugehen“. In einem vorausgehenden Artikel erklärte ich die Auswirkungen dieser Entwicklung im Hinblick auf die nationale Souveränität und die Weltregierung. Erwartungsgemäß wurde den G20-Vertretern vor dem letzten Treffen im April 2010 ein internes Memorandum durch den IWF vorbereitet, in dem die Möglichkeiten für zwei weltweit koordinierte Steuern für Banken aufgegriffen werden.

Die erste Steuer, eine Steuer auf Finanzaktivitäten (Financial Activities Tax, FAT), würde auf die Bilanzen, Gewinne und Vergütungen der Finanzinstitutionen erhoben werden und an die Finanzämter der Länder gezahlt um die größeren Kosten der Finanzkrise finanzieren zu helfen. Eine zweite Steuer, der Finanzstabilisierungsbeitrag (Financial Stability Contribution, FSC), wäre speziell dafür da die Kosten für die Abwicklung von sich in Notlage befindenden Finanzinstitutionen zu tragen um dadurch sicherzustellen, dass der Steuerzahler nicht Billionen an US-Dollar zahlen müsste um diese Unternehmen am Leben zu halten. Ursprünglich war der Finanzstabilisierungsbeitrag als Einheitssteuer gedacht, aber laut dem Bericht des IWF müsste man ihn regelmäßig anpassen, damit das „Risiko“ einer Institution und ihr „Beitrag zum systemischen Risiko“ auch abgebildet wird.

Obwohl die wichtigsten G20-Vertreter – wozu Kanada, Brasilien, Indien, China und Russland zählen – die Idee dieser zwei Steuern ablehnten (welche von Frankreich und Großbritannien befürwortet werden), stimmten die G20-Vertreter laut einem Kommuniqué, das während dieses Treffens herausgegeben wurde, darin überein, dass die Notwendigkeit für „international abgestimmte Regeln zur Verbesserung der Quantität und Qualität des Bankenkapitals und der Verhinderungen exzessiver Fremdfinanzierung“ besteht.

Die auf die Risiken in Zusammenhang mit den Aktivitäten großer Banken beschränkten Regulierungsreform der Finanzbranche und die Vorschläge der G20, des FSB und des IWF sind Ursache erheblicher Bedenken im Hinblick auf die nationale Souveränität und die Weltregierung. Der Vorschlag des geschäftsführenden Direktors des IWF hat jedoch sogar noch größere Auswirkungen: Dasselbe globale Regime der Überwachung, Intervention und Regulierung könnte auch bei anderen Branchen angewandt werden, die für die Stabilität der Weltwirtschaft ein Risiko darstellen. Strauss-Kahn erklärte im Februar 2010:

„Noch einmal, ich glaube wir könnten sogar noch mehr tun. Beispielsweise sollten wir darüber nachdenken, ob wir unsere Rolle als Versicherungsgeber für Länder mit niedrigen Einkommen gegen globale Schwankungen und andere Schocks – zu denen auch die Auswirkungen des Klimawandels gehören – ausweiten. Eine weitere Herausforderung ist, wie man am besten Länder unterstützt, die sich Unsicherheiten und Sicherheitsfragen gegenübersehen.“

Der IWF versteht sich also selbst als der logische Kandidat zur Kontrolle von „Unsicherheiten und Sicherheitsfragen“, die der Intervention des IWFs und anderer internationaler Organisationen durch die Einführung von Maßnahmen bedürfen, zu denen auch die weltweite Besteuerung gehört um künftige „globale Schwankungen und andere Schocks zu vermeiden“. In einem früheren Artikel erklärte ich die anwachsende Bewegung der „menschlichen Sicherheit“, die zu Forderungen nach einer weltweiten Besteuerung und einer Weltregierung führt. Wenn die G20, der IWF, die Weltbank, die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen sich dafür entscheiden diesen Weg zu gehen, sind nachfolgende Szenarien vorstellbar:

  • Die G20 und der IWF werden von Energiefirmen verlangen, dass sie Folgenabschätzungen im Hinblick auf die Menschenrechte durchführen. Dabei wird abgeschätzt, zu welchem Umfang ihre Produkte und Strategien dazu beitragen den gleichen Zugang für verlässliche und bezahlbare Energie für alle Menschen zu verhindern oder inwiefern diese Umweltrisiken darstellen (beispielsweise Klimawandel). Die geschätzten und möglichen Verluste müssten über eine Steuer auf Energieaktivitäten (Energy Activities Tax), die man auf die Gewinne der Energiefirmen erhebt, finanziert werden.
  • Die G20 und der IWF werden von Pharmaunternehmen verlangen, dass sie zu ihren Produkten Forschungs- und Entwicklungspläne an den IWF übermitteln, damit diese überprüft werden können um festzustellen, ob eine ordnungsgemäße Prioritätensetzung angewandt im Hinblick auf die Entwicklung erschwinglicher (allerdings unprofitabler) Arzneien angewandt wird, die benötigt werden um Krankheiten in Entwicklungsländern zu bekämpfen. Dies würde über eine Steuer auf pharmazeutische Aktivitäten (Pharmaceutical Activities Tax, PAT) erfolgen, welche auf die Gewinne der Unternehmen erhoben wird um damit einen Fonds zu schaffen, der genutzt werden kann um Jenen eine erschwingliche Gesundheitsversorgung zu bieten, die keinen Zugang zu notwendigen Arzneien haben.
  • Die G20 und der IWF werden von militärischen Vertragsnehmern verlangen, dass sie nähere Angaben bezüglich ihrer Waffenforschung und Waffenentwicklung zur Verfügung stellen, damit potenzielle Risiken festgestellt werden können, die mit der Verwendung solcher Waffen in regionalen Konflikten in Zusammenhang stehen. Mit einer Steuer auf Militäraktivitäten (Military Activities Tax, MAT), die auf die Gewinne der Firmen erhoben wird, schafft man einen Fonds um Kriegsopfer zu entschädigen und vom Krieg erschütterte Regionen und Infrastruktur wieder aufzubauen.

Es ist denkbar, dass der Enthusiasmus der G20 für die die Weltregierungsaktivitäten des FSB, des IWF und der Weltbank auch über die Regulierungsreform der Finanzbranche hinausreichen könnte um alle Arten von „Risiken“ anzugehen, die sich auf weltweite Ungleichheiten solch mehrdeutiger Wirtschaftsrechte, wie das Recht auf Nahrung, das Recht auf Unterkunft, das Recht auf eine saubere und sichere Umwelt, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Wasser und das Recht auf Energie beziehen. Aus diesem Grund müssen sich diese Parteien auf die speziellen Aufträge beschränken, welche ihre Aktivitäten leiten. Sie müssen auf transparente Art und Weise operieren und gegenüber den Bürgern, gegenüber Personen und Unternehmen, die ihre Aktivitäten finanzieren, rechenschaftspflichtig sein.

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