Die nordamerikanischen „Defizit-Spiele“ sind ein Spektakel der Superlative. Das amerikanische Volk und die US-Politiker lieben nichts mehr als Defizite, weshalb die Anhebung der Schuldenobergrenze bereits feststeht. Alles andere ist politische Selbstdarstellung
Joel Skousen, World Affairs Brief, 09.07.2011
Die Schuldenobergrenze wird erneut angehoben werden, während es keinerlei substantielle gesetzlich verbindliche Haushaltseinschnitte geben wird. Die Politiker werden vielleicht versprechen, derartige Sparmaßnahmen durchzuführen, nur werden diese nie umgesetzt werden. Das ist die Quintessenz, und alles Gegenteilige, was Sie dazu aus den Medien hören, ist nichts weiter als politische Selbstdarstellung.
Und so funktioniert das Ganze: Defizite sind schlimm, aber das ist ja bloß so eine fixe Idee in den Köpfen der Leute. Würde man wieder zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zurückkehren, müsste man die Steuern massiv erhöhen oder bei den staatlichen Zuwendungen schmerzliche Einsparungen in vergleichbarer Höhe vornehmen. Das ist auch der Grund, warum das Volk und die Politiker Defizite über alles lieben.
Defizite ermöglichen der Welt, Ausgaben zu tätigen und Zuwendungen zu erhalten, ohne dass dafür irgendein Preis zu bezahlen wäre – nun ja, zumindest bis es zu spät ist und der Zusammenbruch einsetzt oder ein Krieg kommt. Aber selbst wenn sich solch eine Entwicklung abzeichnet, will immer noch keiner, dass ihm seine Zuwendungen gestrichen werden. Alle weisen sie dann auf irgendwelche anderen Lösungsansätze, die nichts mit den eigenen Zuwendungen zu tun haben dürfen, wie die Besteuerung der Reichen beispielsweise.
Die Republikaner und Demokraten werden daher am Ende eine gemeinsame Lösung finden und ein weiteres 10-Jahresprogramm zur Reduzierung der Defizite vorstellen. Warum 10 Jahre? Warum garantiert man die Sparmaßnahmen nicht für die nächsten Jahre? Man tut dies, weil ein über 10 Jahre gestreckter Zeitraum den Politikern zwei Dinge ermöglicht:
1. Man kann genug Sparmaßnahmen in das Programm packen, so dass der Anschein erweckt wird, es handele sich hierbei tatsächlich um ein bedeutendes Sparprogramm, obwohl dies in Wirklichkeit garnicht der Fall ist.
2. Die Politiker können Versprechen abgeben, die sie niemals erfüllen müssen.
Wer kann sich denn noch an den 10-Jahresplan zur Reduzierung der Defizite unter Präsident Bush erinnern? Keiner, und das ist auch völlig irrelevant, da ein künftiger Kongress überhaupt nicht an diese Versprechungen gebunden ist. Wenn es um staatliche Sparmaßnahmen geht, fängt die Wählerschaft mit Jammern an und die Politiker machen sofort einen Rückzieher, da sie befürchten, ihr politisches Leben stünde nun vor dem Aus.
Das große Spiel für die Establishment-Republikaner wie den Sprecher des US-Repräsentantenhauses John Boehner, der versicherte, dass „keine neuen Steuern“ eingeführt würden, besteht nun darin, nur solche Erhöhungen bei den Steuereinnahmen zu akzeptieren, von denen die Republikaner noch behaupten können, dass es sich dabei nicht um direkte Steuererhöhungen handelt, also beispielsweise die Streichung von Subventionen. Das mag vielleicht eine berechtigte Differenzierung sein, doch wird die Opposition behaupten, dass sie die Steuern erhöhen.
Ein weiteres Problem für die hochrangigen republikanischen Kongressabgeordneten ist, dass sie versprochen haben, die Schuldenobergrenze nicht anzuheben, sich jedoch zur selben Zeit in der Pflicht sehen, zumindest den von den Republikanern im Kongress vorgeschlagenen Haushalt zu unterstützen. Auf diese Art geriet Michelle Bachman diese Woche bereits in Schwierigkeiten, da die Medien sich dieses Themas annahmen und auf diesen tatsächlichen Widerspruch hinwiesen.
Im April stimmte Bachman für den Haushaltsentwurf des Abgeordneten Paul Ryan, der ebenfalls ein Haushaltsdefizit ausweist. Und obwohl die Einschnitte bedeutend weitreichender sind als die, zu denen die Demokraten bereits sind, kämen durch das Ryan Budget innerhalb der nächsten 10 Jahre immer noch über USD 6 Billionen neuer Schulden hinzu.
Die meisten der politischen Manöver zielen darauf ab, sicherzustellen, dass der jeweils anderen Partei die Schuld in die Schuhe geschoben werden kann – entweder dafür, dass der Staatsbetrieb zum Erliegen kommt oder die Schuldenobergrenze angehoben wird oder die Ausgaben so stark beschnitten werden, dass eine Menge Leute richtig wütend werden.
Die Demokraten hatten jüngst einen Riesenspaß dabei, den öffentlichen Betrieb des Bundesstaats Minnesota lahmzulegen, in der Hoffnung, bei den Bürgern auf diese Art die größtmögliche Menge an Ärger zu verursachen, damit der öffentliche Aufschrei die Republikaner dann zwingen würde, Steuerhöhungen zuzulassen.
Fakt ist, dass überhaupt keine Notwendigkeit bestand, den Betrieb des Bundesstaats vollständig zum Erliegen zu bringen. Minnesota hätte ganz einfach bestimmte Zuwendungen aussetzen können, während der restliche Staatsbetrieb unter bestimmten Einschränkungen weitergegangen wäre. Stattdessen hat die demokratische Regierung auf Geheiß von Bill Clinton den kompletten Betrieb lahmgelegt, damit sich die Krise weiter verschärft.
Obama ist fähig, dasselbe zu tun. Sollte man bei der Erhöhung der Schuldenobergrenze scheitern, führt das jedoch nicht zwingend zu dem Schluss, dass die USA ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Fakt ist, dass es ein großartiger Vorwand wäre, um alle Auslandshilfen zu streichen und unnötige Bürokratien aufzulösen, die das Land Milliarden kosten.
Da eine Pattsituation im Kongress mittlerweile so gut wie feststeht, kommen jetzt auch alle möglichen Signale aus Washington herein, dass Obama noch ein weiteres Kaninchen aus dem Hut zu zaubern könnte: Der US-Präsident könnte aufgrund einer obskuren Klausel im 14. Verfassungsnachtrag, welche die Zurückweisung von Schulden für nichtig erklärt, eigenständig eine Erhöhung der Schuldenobergrenze vornehmen.
Der 14. Verfassungsnachtrag befasst sich jedoch mit einem spezifischen Problem in der Wiederaufbauphase nach dem Bürgerkrieg, wo die Demokraten im Süden verlangten, dass der Kongress ihre Kriegsschulden zahlt, während man die Schulden des Nordens für ungültig erklärt. Mit dem Nachtrag war bestimmt nicht gemein, dass man das verfassungsmäßige Haushaltsrecht des Kongresses einfach umgehen kann. Fox News berichtet am 03.07.2011:
„Senator John Cornyn warnte Präsident Obama am Sonntag, noch nicht einmal darüber nachzudenken, den 14. Verfassungsnachtrag so auszulegen, als könne man dadurch den Kongress umgehen und ohne seine Freigabe die Schuldenobergrenze anheben.
´Das sind Spinnereien. Es ist unakzeptabel, wenn der Kongress und der Präsident ihre Arbeit nicht machen, und man dann erklärt, der Präsident hätte irgendwie die Autorität, um das selbst zu erledigen,` so der republikanische Abgeordnete Cornyn, ein früherer Richter am Obersten Gericht in Texas gegenüber Fox News Sunday.
Der Vorschlag, Obama solle Absatz 4 des 14. Verfassungsnachtrags uminterpretieren, um die Schuldenobergrenze in Höhe von USD 14,3 Billionen anzuheben, gewann in demokratischen Kreisen zunehmend an Zustimmung, seit der US-Finanzminister Tim Geithner vor Reportern erklärte, dass der Text in der Verfassung darauf hindeuten könnte, dass der Präsident in der Lage ist, die Schuldenobergrenze ohne Zustimmung des Kongresses anzuheben.“
Die Auffassung von Geithner ist natürlich blanker Unsinn.