Wie uns der Staatsfunk mit Informationen überschüttet, wie Königsberg im Meer versank, und wen wir garantiert nicht unterstützen / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Hans Heckel, Preußische Allgemeine Zeitung, 18.01.13

So hat sich Jörg Schönenborn das nicht vorgestellt: Der WDR-Chefredakteur hatte die neue Zwangsabgabe, die seit 1. Januar jeder Haushalt an den Staatsfunk zahlen muss, als „Demokratieabgabe“ zu verkaufen versucht. Statt des erhofften Beifalls hat er dafür nur Wut und Häme kassiert. Die Öffentlich-Rechtlichen machen ganz schön was mit in diesen Tagen. Völlig verdattert blicken sie auf das sonst so brave Volk und fühlen sich ungerecht behandelt.

Sie sind es doch, die die „Grundversorgung mit Informationen und Hintergründen“ sicherstellen, ohne die unsere Demokratie kaum so geölt funktionieren könnte. Da brauchen sie sich nicht zu verstecken. Und in der Tat: Staunend vor so viel Hintergrund-gesättigter Informationsflut blicken wir auf das Programm der ARD an einem beliebigen Wochentag, nehmen wir den vergangenen Dienstag.

Los geht’s um 5.30 Uhr mit dem „Morgenmagazin“. Um 9.00 Uhr folgt die erste Sendung der „Tagesschau“, die das weitere Programm noch sieben Mal unterbrechen wird. Um 9.05 Uhr sehen wir die Serie „Rote Rosen“ blühen, um 9.55 Uhr stürzt uns „Das Erste“ in den „Sturm der Liebe“ (auch eine Serie), um uns danach ab 10.45 Uhr für eine Viertelstunde mit Informationen zu versorgen, die das Etikett „Brisant“ verdienen. Dann dürfen wir für knapp zwei Stunden ans „Buffet“. Danach gibt es wieder – es ist mittlerweile 14.10 Uhr – „Rote Rosen“ und um 15.10 Uhr bricht abermals der „Sturm der Liebe“ los.

Um 16.10 Uhr geht es zu „Nashorn, Zebra und Co.“ in den Zoo (heute: singende Elefanten) und eine gute Stunde später erzählt uns „Brisant, das Boulevardmagazin“ Schmankerl aus dem Promi-Alltag, oder was man dort sonst unter „Boulevard“ versteht. Ab 18.00 Uhr sehen wir zwei Stunden beim Handball zu, und nach der 20-Uhr-„Tagesschau“ geleitet uns die Serie „Um Himmels Willen“ in den Abend eines beschaulichen Fernsehtages, der erst nach einer weiteren Serie („In aller Freundschaft“, 21.45 Uhr) um 21.45 Uhr zum ersten Mal ernsthaft von politischer Berichterstattung gestört wird: „Report Mainz“. Es geht unter anderem um Wahlkampf, um Gerechtigkeit und um Nazis. Danach flimmern die „Tagesthemen“ über den Schirm und ab 22.45 Uhr treffen sich „Menschen bei Maischberger“, Thema heute Abend: „Krieg den Kilos: Wie geht schlank?“

Wem das zu seicht war, der konnte zum ZDF umschalten. Dort gab es vergangenen Dienstag gleich fünf Krimis, vier davon Serien („Soko hier“, „Soko da“, „Soko sonstwo“) und eine „heute“-Sendung, die wirklich sensationelle Hintergründe aufdeckte, die uns die PAZ bislang verschwiegen hat: Königsberg ist weg, verschwunden, wie Atlantis vom Meer ver­schluckt. Auf der Landkarte der „heute“-Sendung im Hintergrund war deutlich zu sehen, wie zwischen Polen und Litauen nur noch Ostsee klafft, dort, wo eben noch der russische Teil von Ostpreußen lag.

Na? Fühlen Sie sich versorgt? Ich meine, so richtig grundversorgt mit „Fakten und Hintergründen“? Das sollten Sie auch, denn mit ihren acht Milliarden Euro aus der 7,5-Milliarden-Zwangssteuer und den Werbeeinnahmen haben die Staatssender einen Etat zur Hand, der größer ist als die Kulturetats des Bundes, der Länder und aller Kommunen zusammengenommen und der fast so hoch liegt wie die gesamten Kirchensteuer-Einnahmen.

Einen Unterschied gibt es allerdings: Aus der Kirche können wir austreten und den Bürgermeister samt seinem Kulturdezernenten bei der nächsten Wahl zum Teufel jagen, wenn uns die Art nicht gefällt, wie sie unser Geld verschwenden. Jörg Schönenborn und seine Kollegen werden dagegen von einem „Rundfunkrat“ bestellt, wo Parteien und Vertreter „gesellschaftlich relevanter Gruppen“ miteinander kungeln.

Die Welt beneidet uns um diese unsere Art der Demokratie, da sind wir uns ganz sicher, weshalb sich die EU entschlossen hat, da­raus einen Exportschlager zu machen. Ab sofort kümmert sich die neugegründete „Europäische Stiftung für Demokratie“ (EED) um die Förderung demokratischer Bewegungen im EU-Ausland, vornehmlich in Osteuropa und Nordafrika. In den beiden Aufsichtsgremien führen sogar zwei deutsche EU-Parlamentarier den Vorsitz: Elmar Brok von der CDU und der Liberale Alexander Graf Lambsdorff.

Brok fiel vor ein paar Jahren damit auf, dass er den Iren finstere Drohungen zukommen ließ, weil sie in einer Volksabstimmung gegen den Lissabon-Vertrag gestimmt hatten. Es müsse nochmal abgestimmt werden, forderte der Christdemokrat. Und wenn ihr dann wieder falsch abstimmt, fliegt ihr aus der EU ganz raus, gab Brok den Iren auf recht deftige Art Entscheidungshilfe. Wir sehen: Der Mann hat den Respekt vor dem Volkswillen in den Genen, ein echter Vollblutdemokrat.

Die EED will auf die Erfahrungen der 1983 gegründeten US-Stiftung „National Endowment for Democracy“ (NED) zurückgreifen, heißt es aus Brüssel. Diese Erfahrungen sind reichhaltig. Im Jahr nach ihrer Gründung unterstützte die NED in Panama einen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl namens Barletta Vallarino, eine Marionette des Chefs der Nationalgarde, Manuel Noriega, und der CIA. Als Noriega ein paar Jahre später den USA den Weiterbetrieb des berühmt-berüchtigten Militär- und Geheimdienstlagers „School of the Americas“ auf panamaischem Boden untersagte, entdeckte die CIA urplötzlich, wie tief der Mann in Drogengeschäfte verwickelt war. Auf diese Ungeheuerlichkeit reagierte Washington 1989 mit der Invasion Panamas, Noriega sitzt seitdem in Haft.

Zu Haitis Präsidentenwahl 1990 kippte die NED einem ehemaligen haitianischen Weltbank-Mitarbeiter 36 Millionen Dollar in die Wahlkampfkasse. Leider erreichte er trotzdem nur zwölf Prozent. Demokratie klappt halt nicht immer auf Anhieb, das geht nicht nur den Iren so.

Wie dem auch sei: Wenn sich die europäische EED tatsächlich nach dem US-Vorbild ausrichtet, wissen wir, wohin die Reise geht. Oder nicht? Es gibt da gewiss ein paar europäische Besonderheiten, die Berücksichtigung finden werden. Man kann so demokratisch sein, wie man will: Eine Partei oder Bewegung, die durchblicken lässt, dass sie den Euro nicht für etwas ganz Wunderbares hält, wird gewiss keine Förderung erwarten dürfen. Genauso wenig „Klimaleugner“ oder Unholde, die an der Frauenquote herumnörgeln. Solche Typen stellen sich schließlich „außerhalb der Zivilgesellschaft“. Wer erfahren will, was innerhalb dieser ehrenwerten Gesellschaft sagbar ist und was verboten, der muss nur lange genug bei ARD und ZDF reinschauen, unseren Demokratielieferanten.

Oder einfach das Wahlprogramm der SPD abonnieren. Deren Parteichef Sigmar Gabriel kommt indes trotz des tollen Textes langsam ins Schwitzen. Die Umfragen sehen ohnehin mau aus und dann noch die peinliche Sache mit dem Berliner Flughafen BER. Doch Gabriel wäre nicht Gabriel, wenn er da keinen polemischen Ausweg fände.

An der BER-Schlappe sei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU schuld, klärt uns der SPD-Chef auf. Warum? Weil er die Öffentlichkeit getäuscht habe, da er schon drei Wochen vor den meisten Mitgliedern des Aufsichtsrats gewusst habe, dass der erste geplante Eröffnungstermin nicht zu halten gewesen sei. Logik? Egal.

Und dennoch genial: Wäre Ramsauer tatsächlich am Aufsichtsrats-Chef Klaus Wowereit vorbei an die Öffentlichkeit gerannt, um das Desaster zu verkünden, hätte ihm der SPD-Chef nämlich vorgehalten, durch seine Illoyalität Chaos in dem Gremium geschürt zu haben, wodurch das ganze Durcheinander erst ausgelöst worden sei. Dieser Gabriel ist einfach hinreißend dreist und durchtrieben. Daher wirkt er auch immer so seriös wie der Boss einer Schnapsschmuggler-Bande.

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