Eurokrise 2.0: Devisenmärkte rechnen mit einem Grexit; Aktienmarkt schlummert noch
Graham Summers, Phoenix Capital Research, 10.02.2015
Der weit gefasste US-amerikanische Aktienindex S&P 500 pendelt zurzeit in einer engen Handelsspanne hin und her. Ungeachtet all der Kursbewegungen des S&P 500 in den letzten zwei Monaten ist der Index im Grunde auf der Stelle getreten.
Solchen Konsolidierungsphasen folgt in der Regel ein gewaltsamer Ausbruch. Das Problem ist nur, dass man vorher nicht sagen kann, in welche Richtung dieser Ausbruch erfolgen wird.
Die wichtigere Geschichte betrifft jedoch Europa, genauer gesagt Griechenland, wo sich die Krise von einer Finanz- und Bankenkrise in eine politische Krise verwandelt hat. An den ersten Verhandlungsrunden zu den griechischen Rettungspaketen waren immer Politiker beteiligt, die von den Bankern und der Finanzelite in die politischen Machtpositionen gehievt wurden. Das Ergebnis war, dass alle vorangegangenen Verhandlungen damit endeten, dass die Banken gestützt wurden, während die griechische Wirtschaft implodierte.
Dieses Mal hat Griechenland aber einen neu gewählten Premierminister, der über genügend politisches Kapital verfügt, um der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank zu sagen, dass sie abhauen sollen. Die Risiken, die Eurozone zu verlassen, sind für Griechenland bedeutend kleiner, da keine Hoffnung darauf besteht, dass ein weiteres Rettungspaket die Lage irgendwie verbessern würde. Darüber hinaus steht Russland schon bereit, um jedem Hilfe zukommen zu lassen, der Putin dabei unterstützt, die politischen Allianzen der Europäischen Union aufzubrechen. Und Griechenland weiß das auch.
Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie das Ganze ausgehen wird. Aber die Chancen für einen Grexit sind heute so hoch wie nie zuvor. Die Devisenmärkte haben das schon mitbekommen, was auch der Grund dafür ist, dass der Euro die Stützungslinie durchbrochen hat, die während der ersten EU-Krise von 2010 bis 2012 die ganze Zeit über hielt.
Ein ums andere Mal, ganz gleich wie schlimm die Lage in Europa auch war, scheiterte der Euro dabei, diese Stützungslinie nach unten hin zu durchbrechen. Dieses Mal nicht:
Der Grund dafür ist aber in Wahrheit gar nicht Griechenland, sondern das, was auf Griechenland folgt. Sollte Griechenland im Rahmen der Verhandlungen tatsächlich Erfolg haben und eine Schuldenrestrukturierung (Haircut, Schuldenschnitt) erreichen, werden sich Spanien, Italien und letztlich auch Frankreich ebenfalls in der Schlange anstellen.
Und das ist dann genau der Punkt, wo über ein Drittel der EU-Wirtschaft seine Schulden restrukturieren würde, was die Vernichtung der großen EU-Banken zur Folge hätte – die diese Anleihen halten (von den zig Billionen Euros an Finanzderivate-Wetten, die mit diesen Anleihen besichert werden ganz zu schweigen).
Das ist der Grund, warum Griechenland in Wahrheit eine so große Sache ist – es könnte nämlich zum Präzedenzfall für die nächste Runde der Eurokrise werden. Griechenland selbst stellt gerade einmal rund 2% der EU-Wirtschaft. Spanien, Italien und Frankreich sind aber viel größere Probleme, mit denen man klarkommen muss. Und sie warten alle darauf, was als nächstes passiert. Beispielsweise hat sich Frankreich kürzlich auf die Seite Griechenlands gestellt, was die Möglichkeit einer Schuldenrestrukturierung anbelangt.
Draghi braucht jetzt viel mehr als nur ein paar Bluffs, um sich aus dieser Situation wieder heraus zu manövrieren. Und der Markt kann bereits Blut riechen.
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